Andalusien ist das Land der großen Kontraste: maurische Architektur, schneebedeckte Berge und sonnenverwöhnte Küsten an Atlantik und Mittelmeer konkurrieren um die Gunst der Touristen. Diese schlauen Sätze habe ich zwar aus dem Reiseführer abgeschrieben, sie stimmen aber ganz genau. Wir empfinden das auf jeden Fall so. Die Region Andalusien liegt im Südwesten von Spanien und ist flächenmäßig größer als Belgien, Holland, Dänemark, Österreich oder die Schweiz. Wir freuen uns immer durch diesen abwechslungsreichen Landstrich zu fahren.
Unsere erste Station in den andalusischen Bergen sind die malerischen Zwillingsdörfer Vélez-Blanco und Vélez Rubio. Sie liegen am Rand der Sierra María und des gleichnamigen dicht bewaldeten Naturparks. Schon von weitem sieht man das mächtige Eingangsportal von Vélez Rubio, auf deren örtlichen Stellplatz wir fahren. Die Gemeinde hat am Rande eine großen Parks kostenfreie Stellplätze und eine Ver-und Entsorgung zur Verfügung gestellt. Wir können wegen unserer Höhe nicht in die, für Wohnmobile vorgesehenen, Parktaschen fahren, die Bäume stehen zu dicht. Ein freundlicher Holländer, der dort mit einem, zum Wohnmobil umgebauten Feuerwehrwagen, schon länger dort steht, sagt uns, wir könnten auch auf der gegenüberliegenden Seite stehen. Das sei offiziell erlaubt.
Die Sonne scheint, wir haben irgendwie keine Lust auf Kultur. Lieber sitzen wir in der Sonne und erfreuen uns an den Bergen rundherum. Plötzlich kommen immer mehr ältere Frauen zu Fuß oder mit dem Auto in unsere Nähe, grüßen zwar freundlich, kucken aber irgendwie komisch. Ich denke darüber nach, ob ich irgendwas an mir habe, was ihnen nicht gefällt, oder ob sie was gegen Ausländer haben!? Als die Ersten dann ihre Boule Kugeln und das dazugehörende Equipment auspacken ist es klar, wir stehen auf deren angestammten Bouleplatz. Das hatte der Holländer nicht dazu gesagt. Mein Fahrer kann ja so charmant sein, wenn er will. Er erläutert der Dorfältesten in allen Sprachen das Problem mit den Bäumen und fragt ob wir wegfahren sollen. Am Ende ist alles gut und wir dürfen stehen bleiben. Ich verstehe ja, wenn man so seinen festen Platz hat, und auch da immer hin will, aber wenn ihr dieses Fußballfeld große Areal gesehen hättet….
So spielen mehrere Mannschaften eine Stunde Boule um uns herum. Danach ist der Spuk vorbei.
Auf jeden Fall kommen wir irgendwann nochmal wieder, die Adelspaläste, die Kirchen und das >Castillo de los Fajardos< in Véloz Blanco gelegen, wollen doch besichtigt werden. (Bilder aus dem Internet)
Am nächsten Tag starten wir mit wunderbarem Sonnenschein in den Tag und fahren auf der A92N Richtung Granada. Ein grandioses Bergpanorama tut sich vor uns auf, die höchsten Gipfel der Sierra Nevada noch schneebedeckt. So eine aufwendig gebaute Autobahn, mit vielen Viadukten in schwindelerregender Höhe, um die Täler zu überbrücken und dann kostenfrei. Wir kommen aus dem Staunen nicht mehr heraus. Kinopanorama über Stunden. Besser geht nicht. In 1380 m Höhe passieren wir die Passhöhe „Puerto de la Mora“.
Dieter hatte das Bergdorf Orgiva als nächste Station ausgesucht. Diese andalusische Gemeinde liegt in den Alpujarras am Südhang der Sierra Nevada. Das schroffe Vorgebirge ist nur auf kurvenreichen Bergfahrten zu erreichen. Mittlerweile führt eine gut ausgebaute Landstraße von der Autobahn aus 7 Kilometer auf einer atemberaubenden landschaftlichen schönen Strecke zwar mit hervorstehenden Felsüberhängen, in das auch als Hippiedorf bekannte Orgiva. Bigfoot duckt sich an der ein oder anderen Haarnadelkurve unter den Felsvorsprüngen hindurch.
Beim Dorfeingang überqueren wir den Rio Guadelfo. Er fließt mitten durch die bestechend schöne Landschaft, die sich über die letzten 50 km der Sierra Nevada bis zum Mittelmeer erstreckt. Es gibt ausgewiesene Wanderwege am Flussbett entlang. An einem kleinen Campingplatz vorbei, kommen wir nach ein paar Kurven bergauf auf dem neuen Wohnmobilstellplatz >Area de Autocaravanas entre Sierra y mar< an. Hier werden wir von Vater und Sohn nett empfangen. Sie zeigen uns stolz ihren gekiesten Platz. Es gibt ein kleines Duschhaus und sogar Waschmaschinen. Wir zahlen 12 Euro für die Nacht. Es ist nicht viel los, wir können uns einen Platz aussuchen. Das Bergpanorama ist einfach traumhaft.
Ein bißchen kühl ist es hier oben wir ziehen Jacken an und gehen hoch ins Dorf. Es liegt ca. 800 m vom Stellplatz entfernt. In den 1970er Jahren haben sich hier in Orgiva zahlreiche Hippies aus England und Deutschland angesiedelt. Sie prägen tatsächlich heute noch das Ortsbild. Mir kommen sie vor, wie aus der Zeit gefallen. Ich hab ehrlich nichts übrig für dieses „Hippiegedöns“. Was hab ich davon, wenn ich tagsüber frei lebe und muss dafür fürs Abendessen in, von der Gemeinde zur Verfügung gestellten, Gemüsekisten nach Essen wühlen.
Orgivas Bergwelt ist aber auch eine Inspirationsquelle für zahlreiche Künstler, einige davon sind hier sesshaft geworden, lesen wir in der Touristinfo. Man sieht ihre Werke hier und da. Wir laufen durch die Straßen und trinken in einer etwas sonderbaren marokkanischen Kneipe undefinierbaren Tee mit Kardamom und Milch. Hier trifft sich die Künstler- und Hippieszene. Na ja, eher was sich so dafür hält.
Mein Fazit fällt gemischt aus. Traumhafte Natur, superleckere Apfelsinen, nette Stellplatzbetreiber. Hierherfahren kann man, muss man aber nicht. Die Sierra Nevada an sich ist aber ein spannendes Betätigungsfeld für Individualisten wie uns. Auf rund 1500 Metern in Trevélez soll hervorragender Serrano-Schinken produziert werden. Spannend! Ich werde die Fahrstrecken mal eruieren und für eine spätere Reise die Sierra Nevada in den Fokus nehmen.
Der Berggeist schaukelt uns abends in den Schlaf. Der nächste Tag beginnt sonnig aber kalt, die Bergspitzen sind weiß von frisch befallenem Schnee. Der Wind frischt wieder auf, es wird Zeit dass wir endlich ans Meer kommen. 65 Kilometer weiter ist es dann soweit. Torrox Costa wartet mit einem Strand voller wunderbarer Steine auf mich. Wir besuchen dieses Mal den erst im November ’21 eröffneten neuen Stellplatz >Camper Area Paradise Beach< (www.paradisebeachcamper.com). Von Nerja kommend, liegt er am Ortseingang von Torrox Costa, nur durch die Straße getrennt am Meer. Wir werden herzlich von Valentina und ihrem Partner Andrea begrüßt.
Was wir hier so erlebt und gemacht haben, steht im nächsten Reisebericht. Viel Spaß beim Lesen.