Aus dem Spreewald mit seinen vielen Wasserkanälen sind wir nun in einer gänzlich anderen Landschaft angekommen. Im Lausitzer Seenland! Das ist ein künstlich angelegtes Seengebiet in der Lausitz und liegt mit seinem oberen Bereich noch im Land Brandenburg. Der südliche Teil der Seenplatte gehört zu Sachsen. Durch die Flutung stillgelegter Braunkohlentagebaue des Lausitzer Braunkohlereviers soll bis Ende der 2020er Jahre Europas größte künstliche Wasserlandschaft und Deutschlands viertgrößtes Seengebiet entstehen. Wir staunen nicht schlecht. Der Strukturwandel ist hier in vollem Gange.
Durch die politische Diskussion um den Kohleausstieg ist die Lausitz ja omnipräsent. Die Lausitzer Seenlandschaft, die 23 geflutete Seen umfasst, wird in Zukunft, gestützt von vielen außergewöhnlichen Freizeitangeboten, ihren ganz eigenen Charakter in der Deutschen Tourismus-Landschaft entwickeln. Das liest man auf vielen Schautafeln die in der Landschaft aufgestellt sind. Etwas abschreckend dagegen wirken die Schilder der Bergbaugesellschaften. >Betreten strengstens verboten< oder >Betreten des Geländes auf eigene Gefahr<. Hier ist vielerorts der Untergrund in Bewegung, weil die Aufschüttungen der Braunkohlebagger nicht gesichert wurden, erfahren wir später von Einheimischen. Einige große Seen bilden über schiffbare Kanäle einen bedeutenden Seenverbund und der Aktivurlaub in Form von Wassersportangeboten wird durchgehend umgesetzt. Ein Angebot zum SUP (Stand Up Paddeling) habe ich zwar nicht gefunden, wir sind auch nicht jeden See angefahren. Den Kern der Seenlandschaft, den Senftenberger See, haben wir gemieden und uns stattdessen einen kleineren See ausgesucht. So sind wir am Dreiweiberner-See in der Nähe von Lohsa gelandet und sind damit im nächsten Bundesland, in Sachsen, angekommen.
Hier gibt es einen kleinen etwas ursprünglichen Wohnmobilstellplatz wo auch Campingwagen stehen können. Er liegt direkt am See. Das war für uns eines der Kriterien warum wir uns dafür entschieden haben. Ein dichtes Radwegenetz lässt keine Wünsche offen. Z.B. führt die „Seenlandroute“ über 180 km durch die junge Tourismusregion. Für alle wird etwas geboten. Als Urlauber kann man den Wandel vom Braunkohlerevier zum Freizeitparadies live erleben. Schwarz zu Blau lautet das Motto!
Wir freuen uns den letzten Stellplatz unter schattigen Bäumen bekommen zu haben und erkunden die Gegend. Woher der See seinen Namen hat, interessiert mich. Welche Weiber waren da wohl im Spiel? Ich brauche nicht lange zu warten. Auf unserem Abendspaziergang auf dem idyllischen Seerundweg (8 km) kommen wir in die kleine Gemeinde „Dreiweibern“. Von hier hat der See seinen Namen.
Und die Legende von Dreiweibern ist hier aufgeschrieben: Um 1400 herum, so heißt es sollen 3 Frauen auf einer Wiese Heu gemacht haben. Plötzlich erblicken sie die Tochter des Gutsherren, auf dessen Wiesen sie arbeiteten. Das Mädchen wurde von einem Raubritter verfolgt. Beherzt stürzen sich die drei Frauen mit ihren Heurechen und Heugabeln auf den Verfolger und schlagen ihn in die Luft. Aus Dank über die Rettung seiner Tochter schenkt der Gutsherr den drei Weibern jeweils ein Stück Land. Als Erinnerung an die mutigen Frauen wurde dieses Fleckchen „Dreiweibern“ genannt. Noch 1925 gab es diese drei Freigüter im Ort.
>Die Sanierung des Tagebaurestloches Dreiweibern war ebenso vielfältig wie aufwändig<, lese ich weiter. Großgeräte, Sprengungen und Planierraupen kamen zum Einsatz um die Böschungsbereiche des künftigen Dreiweiberner See zu sichern und zu gestalten. 2005 wird der See zur Nutzung freigegeben.
Wir freuen uns über dieses schöne Stück Land hier und stürzen uns schon bald in die warmen Fluten des Sees. Ein herrlicher Sandstrand lädt zum Verweilen ein. Und was das Beste ist, alle sind nackt. Was kann es Schöneres geben. Ich beneide unsere ostdeutschen Landsleute um ihre traditionellen FKK- Strände. Auch sei die Wasserqualität des Sees ausgezeichnet, erzählt uns unser Stellplatznachbar, der aus der Gegend kommt und selber Bergbauingenieur war. Die kleine Spree fließt hier durch und lässt das Wasser nicht so eisenhaltig und braun werden wie an anderen Seen, erfahren wir!
Abends, in „Hipos Beachbar“ am Stellplatz zappeln wir ein wenig ab auf „Highway to Hell“ und „The Rivers of Babylon“. Alle achten auf Abstand! Es passt irgendwie zu dem Ganzen hier. Am Schluss läuft noch „An Tagen wie diesen“ von den Toten Hosen. Ja hier würde ich mir auch gerne „Unendlichkeit“ wünschen. Wir freuen uns schon auf den nächsten Morgen. Dann springen wir mit nix an aus dem Wohnmobil direkt in den See! Galaktisch schön……
Nach dieser kleinen Wochenendauszeit schauen wir uns noch auf dem Weg zum nächsten Ziel, den Bärwalder-See an. Dieser See ist Sachsens größtes Gewässer. Der tolle Radweg um den See beträgt 23 km und ist trotz Nieselregen ziemlich stark frequentiert von Sportlern aller Art. Wassersportler kommen hier am Kittener Hafen auf ihre Kosten. Alles neu und mit viel Geld angelegt! Im Hintergrund ist die imposante Silhouette des Kraftwerkes Boxberg zu sehen.
Also, ich mache mir um den Strukturwandel in der Lausitz keine Sorgen mehr. Bleibt nur zu hoffen, das die Menschen in der Region das genauso sehen! Es gibt so viele Vorbehalte hier, erklärt uns unser ehemaliger Bergbauingenieur und erzählt uns einige Vorkommnisse und das Verhalten der örtlichen Politiker dazu. Es ist so schwer zu argumentierten, wenn man nicht diese Wendezeit mitgemacht hat.
Nun freuen wir uns auf „Elbflorenz“ Dresden. Auf dem Weg dahin kommen wir ganz unverhofft durch Bautzen. Diese Stadt hatte ich, wegen der schweren Ausschreitungen gegen Asylanten auf meine schwarze Liste genommen. Kulturhistorisch muss ich mir diese Stadt an der Spree doch nochmal ansehen. Überhaupt sagen wir übereinstimmend, dass wir ins Lausitzer Seenland zurückkehren werden. Dann erhält Bautzen von mir eine neue Chance.
Wir übernachten in Radeberg auf dem Wiesen-Gelände eines Landwirtschaftsbetriebes am Rande der wunderschönen „Dresdner-Heide“ mit einem geilen Fernblick. Aus dem Hofladen frischen wir unsere Vorräte auf. Wir wollen auch noch in die bekannte Brauerei im Ort. Ein frisch gezapftes Radeberger ist ja was Feines! Die Brauerei kann Coronabedingt nicht besichtigt werden und der Verkaufsshop öffnet erst wieder wenn wir schon im Elbsandsteingebirge sein wollen, erfahren wir von unserer Gastgeberin. OK! Dann halt beim nächsten Mal.
Die knapp 20 Kilometer nach Dresden sind schnell geschafft. So kommen wir am Vormittag auf den stadtnahen Stellplatz/Parkplatz >Am Wiesentor< an. Auf den ersten Blick denke ich, da passen wir nie drauf. Der Platz wird auch von PKW´s stark frequentiert. Mein Fahrer behält die Ruhe und wir finden tatsächlich einen Platz längsseits am Rand des eingezäunten Geländes. Uff, das wäre geschafft. Wir haben sogar einen Blick auf die alles überragende Frauenkirche.
Jetzt noch Strom, das wäre super. Wir wollen einige Tage bleiben und der Platz ist total durch große Plantanen abgeschattet. Bei diesen Temperaturen natürlich super. Alle Steckdosen sind besetzt. Wir haben aber Glück und treffen auf einen netten Kölner. Er kommt zu uns und sagt dass er am Nachmittag weiterfährt, er würde uns dann „einstecken“. Wir machen uns auf zu einer ersten Stadtbesichtigung. Als wir nachmittags von dem doch sehr ausgedehnten Rundgang durch die historische Altstadt zurückkommen hängt ein Zettel an unserem Womo: „Dreamteam hat Strom“, steht drauf. Mir wird ganz warm ums Herz. so sind sie halt, die Kölner! :-))
Es lohnt sich schon, wenn man versucht auf diesen Stellplatz in der Wiesentorstraße zu gelangen. Von dort hat man kurze Wege und kann abends auf den Elbwiesen stundenlang sitzen und auf diese traumschöne Kulisse schauen und es sich gut gehen lassen. Denn das historische Zentrum Dresdens mit Bauwerken aus Renaissance und Barock befindet sich genau gegenüber des Stellplatzes am linken Elbeufer. Trotz schwerer Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg hat die Altstadt ihr reizvolles Ensemble bewahrt oder wiedergewonnen. Der Wiederaufbau des Stadtzentrums findet sein bekanntestes Symbol in der Dresdner Frauenkirche, jenem prachtvollen barocken Kuppelbau, der nun wieder die Dresdner Stadtsilhouette prägt. Die Altstadt ist das Zentrum des Stadtlebens: Hier befinden sich das Rathaus und der sächsische Landtag, wichtige Kultureinrichtungen von der Gemäldegalerie alter Meister über Semperoper und Schauspielhaus bis zum Residenzschloss mit dem Grünen Gewölbe und dem berühmten Dresdner Zwinger.
Bei schönstem Sonnenschein und mit einem Stadtplan bewaffnet, streifen wir durch die Stadt und lassen diesen Sandstein in Barock auf uns wirken. Besonderen Eindruck hinterlässt der „ Fürstenzug“ in der Augustusstrasse. Auf dem Wandbild aus rund 23000 Fliesen aus Meißner Porzellan sind die Herrscher des Hauses Wettin als Reiterzug dargestellt. Mit 102 Meter Länge gilt es als größtes Porzellanwandbild der Welt.
Abends laufen wir durch die Stadt und erfreuen uns an der Illumination der einzelnen Gebäude. Später sitzen wir bei einer Flasche Wein auf der Wiese und bewundern weiter diese ins Herz gehende Kulisse.
Es sind tagsüber zwar viele Menschen unterwegs, es ist aber nicht übervoll. Das liegt wohl an den fehlenden Busreisenden. Mit der Maske auf, macht es keinen Spaß die historischen Gebäude auch von innen zu betrachten. In das historische Gründe Gewölbe möchte ich aber dennoch und erfahre, dass die Eintrittskarten für die ganze Woche schon ausverkauft sind. OK, überredet Dresden, wir kommen in irgendeinem Winter nochmal wieder und ich bestelle von zuhause aus Karten auch für einen Besuch der Semperoper.
Nach soviel Kultur, geht’s am nächsten Tag aufs Fahrrad. Wir wollen in die sächsische Weingegend um Radebeul und natürlich in das 22 km entfernte Meißen.
Der gut ausgebaute Elberadweg führt uns zügig nach Radebeul. Die Weinberge kommen bald in den Blick. Wir fahren ein Stück den Weinbergradweg, das heißt klettern. Das berühmteste Premium Weinanbaugebiet Sachsens liegt vor uns, die Lage „ Goldener Wagen“.
Wir lernen, das seit mehr als 850 Jahren die Landschaft des malerischen Elbtals vom Weinbau mit gestaltet wird. Prägend für diese Weinkulturlandschaft sind die historischen Terassenweinberge und eindrucksvolle Steillagen. Anfangs des 17. Jahrhunderts brachten Winzer aus Württemberg den Weinbau nach Sachsen. Sie brachten auch die Terrassierung von Steillagen mithilfe von Trockenmauern nach Sachsen. Ich frage einen Arbeiter im Weinberg nach diesen außergewöhnlich dicken Steinen, die dort für die Mauern verwendet werden. Es interessiert mich deshalb, weil mein Opa mir schon als kleines Kind gezeigt hat, wie man Weinbergsmauern setzt ohne Bindemittel. „Du musst ein Gefühl für die Steine entwicklen Kind“, sagte er immer, welcher passt auf welchen, das hätte man später im Gefühl. Und ich hab fleißig mitgebaut und bekam auch Lob von meinem Großvater. Allerdings verwenden die Moselwinzer die flachen Schiefersteine, während hier besonders dicker Sandstein verwendet wird. Um einen besseren Überblick zu bekommen steigen wir die ca. 400 Stufen hoch zum „Spitzhaus“, einer weiteren Spitzenweinlage mit einer Gaststätte mit grandiosem Ausblick über die Weinregion. 2000 Hobbywinzer bewirtschaften heute diese Weinberge. Auch August der Starke, hat den Genuss von Wein zu schätzen gewußt und den Weinanbau zu Zeiten seiner Herrschaft als Kurfürst von Sachsen gefördert.
Im Gutshof von Schloss Wackerbarth erleben wir ein kleines Weintasting und genießen die barocke Gartenanlage inmitten der Radebeuler Weinberge. Natürlich kaufe ich im Weinshop ein. Später wird ein Jahrgangssekt des Kurfürsten von Sachsen unseren Hochzeitstag versüßen! Auf der weiteren Tour auf dem Elberadweg habe ich bei jedem Hubbel immer Angst, dass die Korken fliegen gehen.
Das alte Städtchen Meißen begrüßt uns schon von weitem mit seinem Ensemble aus Schloss und Dom. Wir schlendern durch die Stadt und fahren dann noch zu der bekannten Manufaktur die das in der ganzen Welt berühmte Meißener Porzellan herstellt.
Ich laufe kurz durch die Ausstellungsräume und erfreue mich an den großartig bemalten Tellern, Tassen und Figuren. Alles ausgesprochen „teuer“. In den Fahrradtaschen ist eh kein Platz mehr, also gehts auf den Rückweg.
Wir fahren auf der anderen Elbseite zurück nach Dresden, kehren unterwegs in den ein oder anderen Biergarten ein, es ist ziemlich heiß an dem Tag.
Zurück am Wohnmobil haben wir 65 km auf der Uhr. Total verschwitzt will ich nur schnell unter die Dusche, als zwei nette Frauen mit Block und Fotoausrüstung auf uns zukommen. „Wir sind von der Sächsischen Zeitung und machen eine Reportage über ungewöhnliche Wohnmobile“, stellen sie sich vor und fragen ob sie uns interviewen und Fotos von unserem Flair machen können. Der Dreamliner ist natürlich geschmeichelt, bei den Komplimenten über sein Aussehen und bringt sich in Stellung. Oh je, so verschwitzt wie wir sind aufs Foto. Mal sehen was das wird.
Freundlicherweise hat die Redakteurin uns den Artikel und den Zeitungsausschnitt später elektronisch zur Verfügung gestellt.
Ereignisreiche Tage in Dresden gehen zu Ende. Wir verlassen die Elbflorenz, die diesen Beinamen wegen ihrer reizvollen Lage an der Elbe, ihrer barocken Prunkbauten, dem Reichtum an Kunst-und Kulturschätzen und den klimatisch vorteilhaften Besonderheiten trägt und fahren in das nicht weit entfernte Elbsandsteingebirge.
Auf zu neuen Abenteuern!