Von Brühl zum Bosporus; Teil 9a: Im Norden der Türkei

In der quirligen Stadt Kirlareli verbringen wir die ersten Tage in der Türkei. Hier ist der Lärmpegel um einiges höher als vorher. Der Muezzin lässt 5x am Tag seinen Ruf mal kürzer aber meistens länger über eine Lautsprecheranlage erschallen, die aus meiner europäischen Hörsicht mal dringend „gestimmt“ werden müsste. Denn oft stehen wir in der Nähe einer Moschee, da dort meistens Platz ist. Und umso lauter dröhnt er mir beim Zähneputzen ins Ohr. So auch in Kilareli. Hier stehen wir auch ganz in der Nähe einer Nachbildung des Geburtshauses von Kemal Atatürk, dem ersten Präsidenten der Türkei.

In die Innenstadt zu laufen ist nicht weit. Hier herrscht ein geschäftiges Treiben, alle Läden sind geöffnet, wir kaufen ein und besorgen uns eine Sim-Karte von Türkcell. Die supernette Chefin des kleinen IT-Ladens lässt die Karte für uns freischalten was nicht so einfach war. Wir sind jetzt auch mit den Handy online und die Netzabdeckung von der türkischen Telefongesellschaft war überall in der Türkei auch im tiefsten Osten hervorragend. Läden von Vodafone gibt es auch überall. Ich hatte mein iPad vorher schon mit einer eSim von Holafly ausgestattet. So waren wir direkt hinter der Grenze im türkischen Netz online und konnten unseren Stellplatz suchen. Super einfach, das machen wir jetzt immer so.

Wir versorgen uns mit Bargeld, essen die ersten türkischen Köfte (Frikadellen) und beginnen mit dem Tee (Chai) trinken. Chai bekommt man hier für kleines Geld an jeder Ecke. Später werden wir feststellen, dass Tee und nicht Raki unser neues Sundowner Getränk ist. Im Norden und auch nachher im Osten gibt es keinen Alkohol. „Dank“ des alten und neuen Präsidenten Erdogan. Nicht umsonst wünschen sich viele Türken, den weltoffenen und demokratischen ersten Präsidenten Atatürk zurück.

Der Diesel kostet im Momet 90 Cent, später wird er fast auf das Doppelte steigen. Galoppierende Inflation. Auch etwas womit wir während unseres 2 monatigen Aufenthaltes umgehen müssen. Es geht weiter an das 180 Kilometer entfernte Marmara Meer, nach Silivri auch die bunte Stadt genannt. Wir sind noch im europäischen Teil der Türkei und so geht es auch am Strand bunt gemischt zwischen Tradition und Moderne zu. Wir finden einen großzügigen Platz im Park, nahe am Strand und der schönen, mit Palmen bepflanzten und mit Lokalen gesäumten Uferpromenade, die direkt in die Innenstadt führt.

In Silivri legen wir noch einen Ruhetag ein, gehen schwimmen und beobachten die Familien, die zum Sonnenuntergang in Scharen herbeikommen mit jeder Menge Gepäck, also mit allem was man zum Grillen und Teetrinken braucht. Jeder Schattenplatz unter den zahlreichen Bäumen ist jetzt mit einer Gruppe Menschen belegt. Die Luft ist gefüllt mit Grilldunst, Teewasserschwaden aus dem Samowar und lauter Unterhaltung. An diese Art der Feierabendgestaltung werden wir uns gewöhnen müssen. Die Türken strömen abends, wenn es kühler wird ins Freie, kommen uns an manchen Orten und Parks auch ganz nahe. ;-)) Wir kaufen wir uns in der Stadt bei der Post den sog. HGS-Mautstreifen. Das war nicht ganz einfach, weil der Automat in dem Postamt zum Ziehen der Unterlagen, die ausgefüllt werden müssen, nur türkisch „spricht“. Eine sehr nette Security Lady hilft uns dabei und später eine sehr freundliche Schalterbeamtin bei weiterem Ausfüllen der Unterlagen. Es gibt nur wenige Autobahnen im Land und dementsprechend wir der HGS Streifen selten genutzt. Es kostet auch nicht wirklich viel. Wir haben wahrscheinlich viel zu viel Geld „aufladen lassen am Schalter.

Wir cruisen weiter und kommen über die „Yavuz Sultan Selim Brücke“ in den asiatischen Teil des Landes. Ein Erlebnis über eine der höchsten und modernsten Brücken der Welt zu fahren. Dank ihr muss man nicht durch Istanbul. Wir waren dort schon mehrfach, sehen jetzt in der Ferne über dem Bosporus die Silhouetten der Gebäude aufragen. Auch ein schönes Bild. Wir übernachten später kostenfrei im Ormanya Wild Life Park bei Kartepe https://park4night.com/en/place/194998 mitten in der Natur.

300 Kilometer weiter über die Autobahn durch das pontische Gebirge und wir erreichen Safranbolu im Norden der Türkei, stehen hier auf einem kleinen Camp mit symphatsichen und hilfreichem Besitzer, direkt vor den Toren der Altstadt. https://park4night.com/de/place/354298

Wir laufen durch die gepflasterten Altstadtgassen und genießen die Kleinstadt im nördlichen zentralen Anatolien. Wegen ihres von Fachwerkhäusern bestimmten Stadtbildes steht Safranbolu seit 1994 in der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO. Eine Delikatesse Safranbolu ist „Lokum“, eine auf Sirup beruhende Süßigkeit. Es ist Sommer und die Stadt ist voller einheimischer Touristen, besonders viele kommen aus unserem Bundesland aus NRW. Wir werden oft angesprochen, die Leute freuen sich dass auch wir hier „Urlaub“ machen, helfen uns mit der Übersetzung der Sprache beim Einkaufen und im Restaurant. Unglaublich wie hilfsbereit alle sind! Auch auf dem Stellplatz werden wir von türkischen Campern versorgt mit Gegrilltem, später mit türkischem Kaffee und im Dunkeln mit Whisky und Raki getarnt aus der Teekanne. Soweit zum Thema Alkoholverbot! ;-)) Das Beste war allerdings dass plötzlich aus der kleinen Musikanlage von unserem Hintermann ABBA Musik ertönte. Extra für uns. Wir waren sehr gerührt.

Weiter geht es zur Schwarzmeerküste und hier in den beliebten Ferienort Amasra. Hier legen vornehmlich russische Kreuzfahrtschiffe an. Wir hatten Glück. Als wir in den Hafen kommen ist keines dort, wohl wegen der Stürme in den Tagen davor. Sonst hätten wir dort auf der riesigen Mole nicht stehen bleiben können. Aber später am Nachmittag zeigt sich das gleiche Bild. Die Menschen strömen in den Hafen, erfreuen sich an den Geschäften und am Wasser am Sonnenuntergang, sprechen uns an wollen alles wissen, wo wir herkommen wo wir hinwollen. Wieder sind viele Deutschtürken unterwegs, insbesondere aus dem Ruhrgebiet. Ein stolzer Vater stellt uns seine ganze Familie vor. Sie kommen aus Recklinghausen, Vater und Großvater waren schon Bergleute, er auch bis zum Schluss. Hier am Hafen ist die ganze Nacht was los, dementsprechend wenig Schlaf bekommen wir. So ist es halt im Sommer in der Türkei und hier im Norden sind die Temperaturen gut auszuhalten. Das Schöne am Sommer sind halt die langen Tage. Die Sonne geht oft erst gegen 22.00 Uhr unter. Dann sitzen wir immer noch draußen und genießen die Wärme. Unglaublich angenehm ist das.

Wir juckeln weiter auf der engen Küstenstraße hoch über dem Meer und haben weite Ausblicke. 10% Steigungen oder Gefälle, diese Hinweisschilder begleiten uns auf der ganzen Strecke an der Küste entlang. Es ist ziemlich anstrengend hier zu fahren. die pontischen Berge sind hier dominant und steil abfallend. In die kleinen romantischen Buchten, die wir von oben sehen, kommen wir von der Straße aus nicht hin, ein Boot wäre dafür besser geeignet. Wir kommen nach Cide, einem kleinen urbanen Badeort, der etwas verschlafen wirkt. Aber ein viel besser geeigneter Schlafplatz für uns gewesen wäre als gestern in Amasra. So lernt man halt nie aus.

Ein tolles Wochenende verbringen wir im „Ilgaz Dagi Nationalpark“. Auf 1700 Metern lässt es sich im Sommer gut aushalten. Viele Einheimische verbringen ein Wochenende hier. Ich treffe zwei Schwestern, die alles von mir wissen wollen insbesondere wie Frauen in Europa leben.

Durch wildromantische Schluchten und Täler fahren wir weiter, biegen wieder ab ins Landesinnere und besuchen die historischen Überbleibsel der Hethiter, die im 2. Jahrtausend v. Chr. in ihrer Hauptstadt Hattuša dem heutigen Bogazkale lebten. Durch das weitläufige Gelände führt uns Attila mit seinem PKW. Später übernachten wir auch auf seinem kleinen Camp im Ort. Das Sphinxtor und insbesondere das Löwentor sind einige der wenigen noch gut erhaltenden Relikte von dieser frühen Kultur. Das Volk der Hethiter war plötzlich verschwunden. Es wird eine lange Dürreperiode mit einhergehender Hungersnot dafür angenommen.

park4night – (19310) Hotel Asikoglu

Wir cruisen wieder zurück an die Schwarzmeerküste zu neuen Abenteuern. Dazu mehr im nächsten Teil!

4 Kommentare bei „Von Brühl zum Bosporus; Teil 9a: Im Norden der Türkei“

  1. Schön wie immer!

    1. Danke! Und euch noch ein gesundes und reisefreudiges neues Jahr!

  2. Wunderbar, danke dafür Herzilein ❣️
    Bussi vom Fahrradhändler und seiner Frau

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