Das Ende der „Costa Plastico“, wie die Costa de Almería hier genannt wird, markiert die Großgemeinde Roquetas de Mar. Diese teilt sich in mehrere Bereiche auf: Im Süden eine Trabantenstadt aus Hotels und Ferienwohnungen, in der Mitte der Hauptort und im Norden die aus einem einst separat gelegenen Fischerdorf entstandene Feriensiedlung Aquadulce. Die Treibhäuser werden durch ein Naturschutzgebiet vom Meeresufer zurückgedrängt. Golfplätze und gepflegte Parks mit großen Springbrunnen bestimmen das Bild. Der mehr als 100 m breite und über 10 km lange Sandstrand gehört zu den Besten der Gegend.
In dieser Stadt, von der ich vorher noch nie etwas gehört hatte, verbringen wir mehr als drei Wochen! Wunderbare, sonnige und erkenntnisreiche Wochen. Hier trifft sich ein besonderes Wohnmobilvölkchen. Die typischen Strandparkplatz-Überwinterer, so nenne ich sie mal, die schon mehr als 20 Jahre hierher kommen, monatelang hier stehen und ihre Plätze behaupten. Nicht zu glauben, könnte man denken, wir haben die sogenannten selbsternannten „Bürgermeister“ auf den Parkplätzen erlebt.
Wir nähern uns der ganzen Sache erstmal ganz offiziell und fahren den im letzten Jahr neu eröffneten Wohnmobilstellplatz an. Die Anfahrt zum Stellplatz >Camper Park Roquetas< ist etwas gruselig. Von der Autobahn führt eine lange schmale Straße mitten durch die Plastikwelt der Gewächshäuser. Der Stellplatz selber liegt am Rande einer Feriensiedlung, ca. 700 m vom Meer entfernt. In der Nähe auch zwei große Supermärkte, die wir bequem auch zu Fuß erreichen können. Die Berge der Sierra Nevada im Hintergrund, als von der Sonne angeleuchtete Abendkulisse. Die Stadt quasi vor sich mit allem was das Herz begehrt, ein freundlicher Besitzer auf dem Stellplatz, welcher auch alles bietet, was der Wohnmobilist so brauchen kann. Der Bäcker kommt jeden Tag und nachmittags der Bauer mit Obst und Gemüse. Die Bepflanzung ist noch im Werden, wir lassen uns von der noch etwas nüchternen Erscheinung aber nicht abbringen und bleiben eine Weile auf dem Platz.
Hier ist wenig los, klar alle anderen stehen am Strand. Das tun wir später auch. Mein Wäschesack ist prall gefüllt und freut sich über die neuen Waschmaschinen. Die Duschen sind geräumig und mein Körper genießt die großen Regen-Duschköpfe und das heiße Wasser welches aus ihnen strömt. Nix gegen Dirty Harrys Dusche, aber mal so richtig planschen ist schon schön!
Der Stellplatz liegt strategisch günstig in der Mitte dieser fast zehn Kilometer langen Stadt. Wir erkunden sie zu Fuß. Es gibt einiges zu erledigen. Dieter will einen „Zugang“ zu seinem „Simyo“-Konto, damit er sehen kann wie viel Verbrauch auf der Datenkarte ist. Dazu müssen wir in einen Telefonladen. Unseren Campingstühlen fehlen ein paar Schrauben, wir brauchen eine „Ferretaria“ (Eisenwarenhandel/Baumarkt). Mein Knie braucht Voltarensalbe, wir suchen eine Apotheke. Alles da in Roquetas. Dank Google Maps finden wir überall hin, frühstücken unterwegs und schauen uns die Stadt an. Am Hafen gibts frischen Fisch, die alte Hafenanlage ist imposant, der Café con leche schmeckt dort am Besten.
Die Strandpromenade sucht ihresgleichen. Die ganze lange Strecke von einem Ende der Stadt zum anderen ist gefliest, es gibt eine gesonderte Fahrradstrecke mit einem eigenen Belag. Das ist auch wichtig, beiden Strecken sind stark frequentiert. Die Spanier sind sportliche Menschen. Alle tragen Masken, immer und überall. Der breite Sandstrand lässt mein Herz hüpfen. Dementsprechend intensiv fallen meine Morgenübungen dort aus. Der Morningwalk am endlosen Strand macht Spaß.
Es sind einige windige Tage mit Sturmböen angekündigt. Wir stehen geschützt auf dem Stellplatz, als der Sturm dann losgeht. Ich weiß schon warum ich Wind nicht besonders mag. Er ist unberechenbar, in der Nacht steigert sich das Ganze noch. Der wütende Sturm hört sich an wie ein fauchendes Tier. An Schlaf ist nicht wirklich zu denken. Auch am nächsten Tag gehts weiter. Die Sonne scheint zwar, man kannst aber nicht draußen sitzen, die Böen sind zu stark. Wir machen es uns drinnen schön und hören Musik von Bruno Mars. „Just the way you are“ läuft neben John Legends „All of me“ rauf und runter. Als der Wind gegen Abend wieder lauter wird, mache ich auch die Musik lauter. Später hilft dann nur noch Creedence Clearwater Revival. Der Sound von „Proud Mary“ und „Hey tonight“ übertönt des Pfeifen des Sturms. An einem faulen Sonntag setzten wir unser Triominos-Turnier fort. Dieter geht haushoch in Führung und gewinnt die zweite Runde. Insgesamt steht es jetzt unentschieden. Na ja, die Reise ist ja noch nicht zu Ende.
Als sich das Wetter endgültig beruhigt hat, fahren auch wir für ein paar Tage an den Strand und zwar an das südliche Ende, an die Playa Serena. Dort gibt es mehrere große Parkplätze, überall stehen Wohnmobile. Eingebettet in einen gepflegten Park stehen große moderne Hotelanlagen, die im Winter alle geschlossen sind.
Wir finden einen Platz und lernen die Wohnmobilsten um uns herum kennen. Marion und Peter aus Norddeutschland kommen schon viele Jahre hierher, sie sind „Freicamper“. „Frei stehen ist ein Menschenrecht“, sagt Marion, eine überzeugte Impfgegnerin. Mit ihr führe ich viele interessante und kontroverse Gespräche auf der Parkbank vor unseren Fahrzeugen. Rechts neben uns steht Karl. Er ist auch aus dem Norden Deutschlands und mindestens so alt wie sein altes Wohnmobil-Schätzchen, ein Hymer. „Ihr seid aber hoch“, brummelt er vor sich hin. „Hoffentlich bekommt meine Solarplatte genug Sonne mit, sonst muss ich den Generator anwerfen. ;-(( Ich komme schon zwanzig Jahre genau hier auf den Parkplatz. Wenn kein Corona wäre, hättet ihr hier keinen Platz gefunden. Es sind ab Oktober immer die Gleichen da. Alle voll ausgerüstet mit Solarplatten überall am und auf dem Fahrzeug. Dieter schaut sich alles genau an, man kann noch viel lernen von den alten Spezies.
Wir erfahren alle nötigen Tipps und Tricks von den erfahrenen Freistehern. Sie wissen, wo man entsorgen und frisches Wasser herbekommen kann. Man darf parken und übernachten, aber kein Campingverhalten zeigen. Die Guardia Civil fährt ihre Runden, macht aber sonst nichts. Wir fühlen uns beschützt. Morgens kommt die Straßenreinigung, leert alle Mülleimer und putzt die Wege. Die große Rasenfläche wird gewässert. Ich liege im Bett und schau dem Sonnenaufgang zu. Das nette holländische Ehepaar neben uns ist abgereist und hat uns die erste Reihe überlassen. Beim Kaffee nach dem Frühstück diskutiere ich wieder mit Marion über den Impfstoff, der nach ihrer Meinung Leuchtstoffe enthält. Damit können Die uns jetzt alle finden. Wer mit Die gemeint sind, sagt sie mir nicht. ;-))
Ich erhole mich mit meiner Couch am Strand. Dieter folgt mir später wenn er mit seinen „Benzingesprächen“ fertig ist. Die Parkplätze sind sozusagen in deutscher Hand. Auch die Umgebung hat sich angepasst. In den Geschäften hinter den Hotels wird deutsch gesprochen, ein Spar-Markt verkauft viele deutsche Produkte. Hier bekommt man auch deutsche Zeitungen und Zeitschriften. Wir bereiten zur Zeit unsere nächste Reise vor und benötigen für bestimmte Visa biometrische Passbilder. Ich bereite mich, unterstützt von dem Übersetzungsprogramm, auf den Besuch im Fotoshop vor. War nicht nötig. wir werden im Geschäft in feinstem Hochdeutsch begrüßt, man hat schließlich in Frankfurt studiert! Der Fotograf schickt uns die Passbilder auch als „pdf“ Datei und weiß genau was zu tun ist. Irgendwie jeck, wie wir im Rheinland sagen.
Nach getaner „Arbeit“ wandern wir im angrenzenden Naturschutzgebiet >Punta Entinas Sabinar< und freuen uns über Flamingos und andere Tiere, die auch dort überwintern. Die farbenprächtigen Sonnenuntergänge begießen wir mit unserem speziellen Manzanillo-Sherry. Das Leben ist schön!
In Roquetas sind nach wie vor viele Geschäfte, Lokale und Strandbars geöffnet. So gönnen wir uns hin und wieder einen leckeren Drink oder eine hervorragende Paella. Es wird sehr auf Abstand und Hygiene geachtet. Wir haben hier echt Glück, die Fallzahlen sind geringer als in der Umgebung. In der Nachbarstadt Almeria sind z.B. alle Geschäfte und Restaurants geschlossen.
Wir bleiben deshalb noch eine Weile in der interessanten Stadt und wechseln nach ein paar Tagen an das nördliche Ende, an die >Playa las Salinas<. Auch hier stehen viele Wohnmobile in der Gegend verteilt. Wir finden einen Platz im Grünen der Salinenlandschaft. Und wieder sehe ich morgens der Sonne beim Aufgehen zu. Daran könnte ich mich gewöhnen. Abends leuchtet die Sonne beim Untergehen, die 30 km entfernte Stadt Almería.
Hier werden die Regeln nicht so streng ausgelegt. Man kann sich auch mal mit dem Stuhl vor sein Wohnmobil setzten. Die Gegend hier ist urbaner als in der gepflegten Parkgegend im Süden. Auf der Fahrt an den anderen Strand sehen wir, wo noch überall Womos in den Seitenstrassen stehen. Ich kann es manchmal kaum glauben, wo und wie Leute ihren Winter verbringen.
Donnerstag ist Markttag in Strandnähe. Wir gehen frühmorgens hin, da ist noch nichts los. Es riecht förmlich nach dem Obst und Gemüse, welches frisch geerntet auf den Auslagen liegt. Am Ende des Marktes gibt es an einer Bude eine Spezialität, die sich Dieter nicht entgehen lassen will. Bei uns würde man sie Schmalzkringel nennen. In Spanien heißt das Churros, ein iberisches Fettgebäck aus Brandteig hergestellt. Das längliche Spritzgebäck in heiße Schokolade getaucht, lässt ein Männerherz höher schlagen!
Mit einer schönen Strandwanderung nach Aquadulce beenden wir unseren ungewöhnlich langen Aufenthalt in dieser symphatischen Stadt, Roquetas de Mar. Es ruft der Naturpark >Cobo de Gata>. Vorher machen wir noch einen Abstecher in die nahe gelegene Wüstenstadt Tabernas in den Bergen. Uns gehen die Geschichten also nicht aus. -Fortsetzung folgt!-
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An alle Jecken im Karnevalsland!
In diesem Jahr sin mer net außer Rand und Band!
Mer blieve im Womo janz schön brav,
Umso lauter schallt nächstes Jahr unser „Kölle alaaf“!
Deine Berichte sind einfach immer wieder nur schön, fast überall wo Ihr gewesen seid, waren wir im letzten Jahr. Wi haben uns mal beim NiBi Treffen kennen gelernt.
Schöne Grüße aus Düsseldorf
Schön von Dir zu hören Helmut!
Wir waren im letzten Jahr nur im Schnee unterwegs.. Daher in diesem Winter das Kontrastprogramm, zwar etwas erschwerte Bedingungen wegen Corona, aber immer warm Herzliche Grüße Renate+Dieter
Einfach nur schön. Und ja, den Sonnenaufgang vom Womo Bett aus zu genießen, da
geht nichts drüber.
Wir kämpfen hier mit polaren Minusgraden brrr, also schön im Warmen bleiben
Liebe Grüße
Martina und Roland
Sehr schön Deine Berichte, super, schade dass ich sie nicht schon früher entdeckt habe!
Liebe Grüße
Helmut
Danke Helmut! Freue mich dass sie dir gefallen. Vielleicht gibt es Anregungen für euch! Wir bleiben in Kontakt.
Herzliche Grüße von uns