Schlaglicht auf den Niederrhein

Wir sind im Kreis Kleve und hier auf dem Wohnmobilstellplatz Schloss Moyland bei Bedburg/Hau angekommen. (www.womopark-moyland.de) „Moyland“ hieß im Keltischen: Schönes Land! Wir freuen uns auf die Region, zu mal es hier im Grenzgebiet zu Holland auch ganz viele Stellplätze gibt.

Die „Masuren-Gruppe“ ist fast vollzählig versammelt, wir begrüßen uns herzlich, aber auf Abstand. Luftküsse sind jetzt die neuen Umarmungen.

Es wird gegrillt, wobei sich Werner als wahrer Grillmeister beweist, Kuchen gebacken, der Thermomix von Silke läuft auf Hochtouren.

Das Pfingstwochenende beschert uns schönstes Sonnenwetter und genügend Zeit für anregende Gespräche und Ausflüge in die Gegend. Rudi Schnorrenberg und seine Frau haben das Wochenende organisiert und die Stellplätze gebucht. Sie kommen seit vielen Jahren hierher nach Moyland, denn Rudis Firma, CSS Versiegelung, ist ganz in der Nähe in einem Industriegebiet.

Hier bekam unser Dreamliner am Vortag den letzten Schliff, während wir am Kanal entlang in die Stadt zum frühstücken gehen. Jetzt braucht mein Fahrer keinen Spiegel mehr beim Outdoor-Rasieren, so glänzt bzw. spiegelt der Wagen. Für eine Stadtbesichtigung habe ich in Corona-Zeiten keine Lust. Ständig muss man aufpassen, dass man an den Sehenswürdigkeiten, von denen Kleve einige zu bieten hat, das Abstandsgebot einhält. Na ja, von uns aus ist es nicht so weit bis an den Niederrhein. Deshalb werden wir mit Sicherheit wiederkommen.

Am Niederrhein ist alles flach. Ich freue mich aufs Fahrradfahren. Auch hier gibt es ein weitläufiges Radwegenetz mit Knotenpunkten. Rudi hat Prospektmaterial für alle besorgt. Darunter auch eine Fahrradkarte mit Tourenvorschlägen.

Unsere erste Tour führt uns durch den Reichswald, dem größten zusammenhängenden Waldgebiet des Landes, vorbei am Britischen Ehrenfriedhof und einer Draisinenstrecke nach Kranenburg im Grenzgebiet nach Holland. Die kleine Altstadt zieht sich entlang der Stadtmauer und beginnt an dem weithin sichtbaren Wahrzeichen der Stadt, dem Mühlenturm.

Wir freuen uns auf eine Pause im Café am Marktplatz. Ich schließe mein Fahrrad ab, nehme meine Maske aus dem Rucksack, bin in Gedanken aber schon bei der Kuchenauslage! Das rächt sich bitter, denn als wir dann einen freien Tisch zugewiesen bekommen, ist mein Fahrradschlüssel weg. Oh nein, ich hab keinen Hunger mehr auf Kuchen! Ich suche jeden Quadratzentimeter des gepflasterten Platzes ab, laufe hin und her, bete zum heiligen Antonius! Nichts! Dieter schaut schon auf der Karte, wie er am schnellsten zurück fahren kann, um den Ersatzschlüssel zu holen. 25 km eine Strecke! Oh je, das geht doch gar nicht. Mensch, heiliger Antonius, jetzt geb Dir endlich Mühe mir beim Suchen zu helfen, fluche ich leise vor mich hin. Das sollte man nicht tun, die Heiligen, so habe ich es früher im Religionsunterricht gelernt, soll man immer respektvoll behandeln. Der heilige Antonius hilft allen die etwas verloren haben. Das hat schon bei meiner Oma geklappt und auch bisher bei mir. Also bitte ich, beim dritten Mal absuchen des Platzes, den Heiligen ganz besonders freundlich um Mithilfe. Ich bin der Verzweiflung nahe, kann ich doch meinem Lieblingsmenschen so eine lange Strecke hin und zurück nicht zumuten! In dem Moment fragt mich eine Holländerin, die auf der Bank sitzt, was los ist. Ich erzähle ihr von meinem Missgeschick, sie steht auf, schaut sich um und sagt in einem schönen Holländisch-deutschen Dialekt: „Da liegt er doch, ihr Schlüssel“! Direkt am Fahrrad, etwas verdeckt durch den Reifen und wo ich schon zehnmal hingeschaut habe, liegt das Ding, einfach so rum. Danke heiliger Antonius, dass du mir die nette Frau geschickt hast. ;-))

Wir radeln durch eine abwechslungsreiche Natur mit großen Pferdeweiden, idyllischen kleinen Ortschaften, an vielen Seen vorbei zurück zum Stellplatz und haben fast 70 km auf der Uhr. Der Schreck um den fast verloren gegangenen Schlüssel, löst sich bei einem kühlen Glas Bier und mitfühlenden Menschen am Platz dann rasch auf.

Am nächsten Tag steigen wir wieder aufs Rad, dieses Mal fahren wir die Grenzlandtour. Es geht am Rhein entlang nach Holland, mit der Fähre über den Fluss, wobei Maskenpflicht auf dem Boot herrscht.

40 km weiter überqueren wir auf der „Golden-Gate vom Niederrhein“ bei Emmerich wieder den Rhein. Sie ist übrigens die längste Hängebrücke Deutschlands und gibt dem Rhein, der genau hier nach Holland fließt, den richtigen Rahmen. Leider ist die Brücke total eingerüstet. Ich habe mir an der Stelle ein Archivbild ausgeliehen.

Von weitem sieht man den „schnellen Brüter“ in Kalkar, das Kernkraftwerk das nie ans Netz gegangen ist. Kurz vor Moyland kommen dann die Türme des Schlosses in Sicht und wir treffen auf eine Gruppe junger Männer mit einem Leiterwagen, mit Musik und Getränken darauf. Ich denke, da gibt es mitten auf dem Fahrradweg einen Junggesellenabschied. Wo soll man auch in Corona-Zeiten sonst hin, wenn in den Kneipen Maskenpflicht und andere Regeln gelten. Wir sollen doch bitte einen mittrinken und werden aufgeklärt was die Jungs da machen. Sie boßeln!

Ich steh auf dem Schlauch, Was ist denn das? Das gibts bei uns im Rheinland nicht. Die jungen Burschen freuen sich, dass wir ihrer Aufforderung ein Getränk mit ihnen zu nehmen, ohne großes Aufhebens zu machen, nachkommen. Sie erklären uns die Spielregeln. Boßeln ist eine Mannschaftssportart, die hauptsächlich in Norddeutschland gespielt wird und auch mancherorts Klootschießen genannt wird. Ziel des Spiels ist es, eine Kugel mit möglichst wenigen Würfen über eine festgelegte Strecke zu werfen. Die Jungs haben ihre eigenen Regeln entwickelt. Immer wenn es einer Mannschaft gelingt ihre Boßel weiter zu werfen als die anderen, wird getrunken. Wir hatten gemeinsam Spaß und bekamen viele Tipps was wir noch alles in der Gegend unternehmen sollten. Insbesondere sollten wir nach Kalkar und dort in der Mühle einkehren. Sie brauen ein leckeres Mühlenbier, erzählt uns Jens, der in Bedburg zuhause ist. Die anderen sind seine Freunde aus der nähren Umgebung. Sie wären jetzt über Pfingsten eigentlich auf Männertour in Renesse wie jedes Jahr, aber durch die Reisebeschränkungen ist das nicht möglich. Kurzerhand boßeln sie halt in ihrer Heimat am Niederrhein. Why not! Der selbst angesetzte Holunderschnaps schmeckte im Übrigen hervorragend. Gut, dass wir nicht mehr weit zum Wohnmobil haben. Wir kehren aber noch in einem idyllischen Gasthof an der Strecke ein. Maske auf, warten bis wir im Garten an einen freien Tisch geleitet werden, dann Personalien ausfüllen. Das Procedere ist überall gleich. Wir essen selbst gebackenen Rharbarberkuchen und werden zuvorkommend behandelt. Die Adresse merken wir uns!

Am Pfingstsonntag gehts mit der ganzen Gruppe ins neun km entfernte Örtchen Grieth. Hier setzen wir mit der Fähre über nach Grietherort und genießen im nahe gelegenen Inselgasthof Nass ein ausgezeichnetes Mittagessen! Die Organisatoren Christel und Rudi freuen sich, dass es allen geschmeckt hat, sie haben das Lokal ausgewählt. Herrlich, ein echter Tipp. Hier solltet ihr einkehren wenn ihr in der Gegend seid.

Nach dem Essen fahren wir in einer kleine Gruppe noch die Schleife über Kalkar. Der Tipp von Jens mit dem Mühlen-Bier hat sich bei mir festgesetzt. Das schon erwähnte Knotenpunktsytem führt uns direkt auf den Marktplatz von Kalkar. Die Mühle liegt etwas versteckt in einer Seitenstraße. Wir freuen uns. Freie Tische draußen unter großen schattenspendenden Bäumen und Bierdurst. Das wird ein schöner Abschluss!

Von wegen! Wir werden belehrt, dass wir nur bedient werden wenn wir vorher telefonisch reserviert haben. „Schließlich habe ich mir eine teure Telefonanlage angeschafft, damit das möglich ist“, ertönt die brummige Stimme eines Mannes von hinterm Tresen nach draußen. Woher sollen wir das denn wissen, erwidern wir freundlich. Ein Gast mischt sich ein und sagt: Wir trinken gerade aus, ihr könnt euch dann hierher setzen“. Wir bedanken uns und freuen uns auf das Bier. Da haben wir aber der Rechnung ohne den Wirt gemacht. Wir haben nicht angerufen—also bekommen wir auch kein Bier! Alle Tische sind reserviert. Basta! Bei allem Verständnis für die schwierigen Zeiten, in „Kölle“ wäre das nicht passiert!!!

Dabei ist Kalkar so ein charmantes Städtchen. Und dieses besondere Bier sticht mir ja noch in der Nase….

Zurück auf dem Stellplatz war ich nicht in der Stimmung, mir noch das nahegelegne Schloss anzusehen. Dabei ist das Wasserschloss Moyland und sein phantastisch angelegter Garten unbedingt einen Besuch wert. Es zählt zu den wichtigsten neugotischen Bauten in Nordrhein-Westfalen. Mehr davon, wenn ich selber dort gewesen bin. Derweil spüle ich meinen Frust mit einem Kölsch herunter und leihe mir die Bilder von Moyland von meinen lieben Mitmenschen aus.

Das Wochenende vergeht wie im Flug, und damit geht auch unsere erste zweiwöchige „Ausfahrt“ unter Corona-Bedingungen zu Ende. Fast alle halten sich an die Regeln und schützen sich und andere. Die Stellplatzbetreiber sind gut vorbereitet und geben sich viel Mühe. Unsere Stimmung wird durch die veränderte Welt nicht beeinflusst. Wir hatten aber auch das Glück von netten, unkomplizierten Menschen umgeben zu sein. Wir ziehen alles in allem ein positives Fazit und freuen uns auf unsere große Deutschlandtour im Sommer!

2 Kommentare bei „Schlaglicht auf den Niederrhein“

  1. Liebe Renate, lieber Dieter, vielen Dank für die wunderbaren Bilder der Region, so habe ich doch trotz meines Malheurs etwas von der wunderbaren Gegend mitbekommen(erinnert mich an unsere gemeinsame Masurenreise)
    Das Wetter war natürlich hervorragend. Ich freue mich um jeden Kilometer den Ihr für Eure Leser strampelt
    Bis zum nächsten Kölsch
    LG Bert & Dagmar

    1. Hallo ihr Beiden,
      ja mit über 1000 km Radwegen u. dem tollen Knotenpunkt-System ist der Niederrhein mehrere Reisen wert. Wir haben die Zeit auch sehr genossen u. fanden Euch und die restliche „Truppe“ klasse. Dir liebe Dagmar wünschen wir alles Gute und eine schnelle unkomplizierte Heilung. Damit Du bald wieder voll beweglich bist! LG Renate+Dieter

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