Sunshine-Tour im Winter: Die Westküste Andalusiens; Teil I

Ich habe mir vorgenommen in diesem neuen Jahr etwas „beswingter“ (kein Schreibfehler) durch die Tage zu gehen. Irgendwie ist mir in den letzten Jahren, insbesondere in den hektischen Arbeitsphasen die Musik etwas abhanden gekommen. Aber dank der modernen Medien kann man ja streamen was man will. So hole ich uns zum Jahreswechsel die Musik aus den 70ern ins Womo. Sogar mein Lieblingsmensch swingt mit mir zu „Rivers of Babylon“ von Boney M., den Bee Gees, Albert Hammond, Creedence Clearwater Revival und Scott McKenzie. Dirty Harry wackelt auf seinen Stützen fröhlich mit. :-)) Musik hören lässt den ganzen Corona Wahnsinn besser ertragen. Meine absoluten Favoriten sind nach wie vor die Rolling Stones. Schön, dass man so miteinander alt wird. Ich geb zu, ich mag jetzt eher die leisen Töne der Stones wie >My Girl, She’s like a Rainbow, oder Under the Boardwalk<.

Wir bleiben nach dem Jahreswechsel noch ein paar Tage in Isla Cristina und laufen entlang der weit verzweigten Salinen durch den Naturpark; am Wegesrand blühende Kakteen, eine schöner wie die andere.

Und auch vorbei an riesigen Mandarinen -und Apfelsinenplantagen, hier ist die Ernte voll im Gang. So begegnen uns auch große Gewächshäuser mit blühenden Himbeer- und Erdbeerpflanzen. Und siehe da, am Ende des Feldes gibt es auch schon reife Erdbeeren. Tja, da kann ich nun leider nicht widerstehen. Eine nehme ich mir! Ich denke, dass der Bauer davon nicht ärmer wird. Sofort ist das Gefühl aus der Kindheit wieder da, wenn wir nach der Schule über die Wiesen und Felder streiften und verstohlen in den dazwischenliegenden Gärten ein paar Erdbeeren mitgehen ließen. Die aus Nachbar’s Garten schmecken halt am Besten!

Wir nehmen uns vor, auf der Weiterreise so nah wie möglich an der Westküste, der Costa de la Luz, entlang nach Süden zu fahren. Zunächst gehts nach Huelva zum Gas tanken. Es ist relativ kalt geworden in den ersten Januartagen. Volle Gasflaschen sind daher wichtig. Wir schauen uns dabei auch mal den Hafen an und hier besonders die Abfahrtsterminals auf die Kanaren. Die nächste Winter-Reise hat in meinem Kopf schon Formen angenommen. Von weitem kommt auf der neuen modern gestalteten Hafenpromenade von Huelva ein großes Denkmal in unser Sichtfeld.

Hier am Südende der Stadt, wo der rotgefärbte Rio Tinto in den Atlantik mündet steht unübersehbar, unmittelbar vor der Brücke das Monumento de Colón, das zu Ehren Christoph Kolumbus‘ und seiner Entdeckungsreisen erbaut wurde. Denn von dieser Küste südlich Huelvas stach er 1492 in See. Die Statue ist beeindruckende 34 Meter hoch und wurde 1930 als Geschenk der Vereinigten Staaten von Amerika errichtet. Ist schon irgendwie verrückt. Bis zu seinem Tod hatte Kolumbus geglaubt Indien entdeckt zu haben, dabei war er als erstes auf den Bahamas und später in Südamerika auf Land gestoßen.

Hier beginnt auch die offizielle Kolumbus-Route, der wir aber dieses Mal nicht nachfahren; ich will an „meinen“ absoluten Traumstrand. Auch wenn wir schon mal dort waren, es gibt Orte an die man immer wieder hinfahren kann!

Nach kilometerlanger Fahrt durch weitgehend unberührte Natur gelangen wir unmittelbar am Rand der besonders streng geschützten Nationalparkzone Doñana in den Badeort Matalascañas. Er besteht aus mehreren Blocks und Einheiten voller meist nur während der Hauptsaison besuchte Ferienhäuser und Hotels. Entsprechend ausgestorben wirkt das alles in der Nebensaison. Ganz am Ende des Ortes gibt es unmittelbar am Strand einen Parkplatz, wo auch Wohnmobile geduldet werden. Als wir an einem Sonntag dort ankommen, ist der Parkplatz mit Pkw’s gut gefüllt. Wir aber finden auf dem Sand, (wo sich ohne 4×4 keiner hintraut) einen Platz mit direkter Sicht auf den Atlantik.

Nach Sonnenuntergang sind alle Tagesbesucher weg; einige Wohnmobile und wir genießen die Ruhe und diesen Wahnsinnsstrand! Ich kann nur für mich sagen: Schön, Schöner, am Schönsten, Matalascañas!

Morgens nur den Kopf im Bett ein wenig heben und das Meer sehen. Ich krieg mich nicht mehr ein! So schön! Dazu einen Bettkaffee von meinem Lieblingsmenschen und >Human< von Rag ’n‘ Bone Man hören und alles ist perfekt! Auch wir haben super Glück mit dem Wetter. Wir machen ausgedehnte Wanderungen über den breiten Strand, der sich rechts und links des Ortes über 60 km erstreckt. Und laufen auf markierten Wegen durch die Dünen des Nationalparks! Es ist einmalig dort, ich komme mir auf einer Düne kurz vor wie in der Wüste in Marokko.

Nicht umsonst erhält der Nationalpark, dessen aktueller Umfang bei rund 80.000 Hektar liegt 1994 den UNESCO Welterbestatus. Das Kerngebiet um das Mündungsgebiet des Flusses Guadalquivir wurde zum Biosphärenreservat erhoben. Nur noch eine Handvoll Familien lebt und wirtschaftet im Nationalpark, was ihnen aufgrund ihrer langen Verwurzelung unter strengen Auflagen auch weiterhin gestattet werden soll. Ansonsten sind die Vögel heute die unbestrittenen Herren über die weiten Ebenen. Wir treffen später auf der Tour entlang des Flusses noch auf viele Vogelarten. Der Name des Nationalparks Doñana leitet sich von der Frau eines Herzogs ab. Dieser ließ im 16 Jh. mitten in dem damaligen Sumpfgebiet einen Palast für seine Frau Doña Ana bauen!

Auf der Weiterreise müssen wir die Küste zunächst verlassen. Durch den Nationalpark verläuft keine Straße. Bevor wir in den Großstadtverkehr von Sevilla eintauchen, machen wir noch einen Stopp im beschaulichen El Rocío! In die Stadt, die im Sand erbaut wurde. Ein bisschen wie im Wilden Westen fühlt man sich im Wallfahrtsort El Rocío, denn er besteht größtenteils aus staubigen Sandstraßen. Es leben nur ein paar Hundert Menschen dauerhaft hier, entsprechend ruhig geht es hier die meiste Zeit des Jahres zu. Nur zu Pfingsten fallen in einer normalen Zeit bis zu einer Million Menschen zur „Romeria“ ein. Die Wallfahrt zu Ehren der „Jungfrau vom Morgentau“ ist die bedeutendste in ganz Andalusien. Entsprechend groß und prächtig ist die Wallfahrtskirche ausgestattet. Den schönsten Blick auf die mächtige Kirche hat man gleich bei der Einfahrt am Parkplatz vor dem großen See, auf dem sich tausende Wasservögel tummeln.

Die Menschen sind auf allen möglichen Fortbewegungsmitteln hierher unterwegs. Oft zu Fuß, aber auch zu Pferd auf extra freigegebenen Routen kann man auch durch den Nationalpark anreisen. Überhaupt sind Pferde in El Rocío „ganz westernlike“, ein bis heute äußerst gängiges Verkehrsmittel. Ich hatte Glück, bei unserer Ankunft auf dem Parkplatz kommt eine stolze Spanierin auf einem schwarzen Pferd daher geritten. Ich springe aus dem Womo und frage sie ob ich ein Foto von ihr auf dem Pferd machen darf. Sie willigt freundlich ein. Daraus entwickelt sich ein gegenseitiges Fotoshooting mit viel Spaß zwischen uns Beiden. Denn auch sie möchte einige Fotos von sich und ihrem Pferd vor der tollen Kulisse! Um an ihr Handy zu gelangen, muss ich ziemlich nah an das große Tier heran. Der Rappe spürte gleich meine Unsicherheit und tänzelt um mich herum. Die sympathische junge Frau hatte aber alles im Griff. Sie ist begeistert von ihren schönen Fotos und bedankt sich überschwänglich bei mir! Das war ne echt interessante Begegnung.

Die Fahrt durch Sevilla verläuft an diesem Tag ohne Stau. wir waren schon öfter in dieser spannenden Stadt, die immer eine Reise wert ist. In Corona Zeiten verzichten wir auf den Besuch. Wir wollen schnell wieder an die Küste. Sanlúcar de Barrameda und der Wohnmobilstellplatz direkt an der Küste sind unser nächstes Ziel. Wir wollen möglichst nah am Fluß Guadalquivir entlang fahren. Auf der Karte ist eine Landstraße eingezeichnet, die nehmen wir. Und damit erwarten uns 20 km Rumpelpiste. Ja, sind wir denn plötzlich in Marokko oder was….

Auf der einen Seite der träge dahinfließende wunderschöne Fluß mit seinen vielen Tierarten, die hier in der Doñana alljährlich Rast machen. Wir sehen Kraniche, Flamingos Störche; rote Milane kreisen über uns. Eine wunderbare ruhige Landschaft wenn die Schlaglochpiste nicht wäre. Wir hören jeden Teller im Schrank klappern und auch sonst einige Geräusche, die wir noch nicht kennen. So sammeln wir wichtige Erfahrungen für unsere Südafrikareise was das Verstauen von Dingen anbelangt. ;-))

So kommen wir in den Einzugsbereich von Sanlúcar de Barrameda. Hier wird die Piste wieder zur Straße und überall sind die Menschen auf den Feldern am arbeiten. Die Möhrenernte ist in vollem Gange, das Gemüse wird einzeln von Hand aus der Erde gezogen. Nebenan wird ein Porreefeld abgeerntet. Und das Anfang Januar. Die Gegend hat einen rauen Charme und ist nicht touristisch erschlossen. Alles ist eher auf die Landwirtschaft abgestimmt. Es ist schon etwas rumpelig hier; irgendwie urwüchsig.

Die Stadt liegt direkt an der Flussmündung des Guadalquivir. Früher war sie eine bedeutende Hafenstadt. Denn auch von hier startete Christoph Kolumbus zu einer seiner Reisen; Magellan brach 1519 von hier zu seiner Weltumseglung auf. In dem altmodischen Städtchen mit seiner zur Zeit geschlossenen Burganlage, wird ein Sherry der besonderen Art hergestellt. Der Manzanilla ist eine einmalige Spezialität in Spanien. In diesem Getränk schwingt dank der meeresnahen Lagerung eine leichte Salznote mit. Das alles hatte ich vorher gelesen. bin gespannt ob wir das interessante Getränk auch verkosten können.

Hier ist echt wenig los und es wird immer kälter. Drei Tage Regen stehen bevor, die wollen wir „am Strom“ verbringen und fahren deshalb auf den Wohnmobilstellplatz >Sanlúcar AC Parking< (GPS: N36°45’43“; W6°23’42“). Der Stellplatz hat großzügige Stellflächen, liegt direkt am Strand, aber ca 4,5 km außerhalb der Stadt. In der Nähe gibt es einen kleinen Einkaufsmarkt und ein Bäcker kommt auf dem Platz. Es gibt heiße Duschen, ein Segen bei dem Wetter. Wir stehen schön zwischen zwei Palmen, haben einen grünen Rundblick, können zwar das Meer nicht sehen, aber hören!

Der Strand hat auch einen eher rauhen Charme. Bei Flut kann man dort nicht laufen und bei Ebbe ist das Meer ganz weit weg; du schaust nur auf Steine und Muscheln. Hier suchen die Leute nach Hummerkrabben. Wir machen dennoch einen langen Spaziergang und können schon einen Blick auf den höchsten Leuchtturm Spaniens in Chipiona werfen. Das ist unser nächstes Ziel.

Auf dem Stellplatz gibt es einige Gäste, die schon seit dem vergangenen Jahr hier sind und in ihrem Wohnmobil leben. So lernen wir auch Franz aus dem Harz kennen. Er ist nach dem Corona-Ausbruch im letzten Jahr einfach hier geblieben und ist die gute Seele auf dem Platz und im Zweifel das „Mädchen für alles“. Er hat technisches und botanisches Geschick, hat bei dem Aufbau der Duschen und Waschmaschinen geholfen, sowie beim Einpflanzen von 100 Bäumen. Er erzählt uns gleich dass er uns kennt! Wir wären doch vor zwei Jahren in Marokko gewesen. Er hätte unseren „hochbeinigen“ Dirty Harry auf der >Straße der Kasbahs< vor so einer Lehmburg stehen sehen! Er war dort mit seinem Smart hingefahren. Das kann schon gut sein; ich meinte mich zu erinnern, dass ich mich damals gefragt habe, wer denn hier mit einem Smart durch das ausgetrockneten Flussbett zu der abgelegenen Kasbah hinfährt?! So klein ist mal wieder die Welt. Es ist erstaunlich an welchen Orten man doch „gestrandete“ Wohnmobilsten trifft, die, wie wir auch, wegen der Pandemie nicht nach Marokko fahren können. Dieser Stellplatz und die Umgebung haben auch irgendwie einen marokkanischen Einschlag. ;-))

Während ich schreibe, regnet es ohne Unterlass. Das erste wirklich schlechte Wetter seit fast drei Monaten. Wir machen das Beste draus. Wir schlafen lange, erledigen Bürokram, hören Musik, essen und trinken leckere Sachen. Der Platz um uns herum versinkt im Regen, unser Nachbar musste heute Morgen rausgezogen werden. In einer kurzen Regenpause läuft Franz auf dem Platz rum und schaut, wo die Pumpen angesetzt werden müssen. Wir hören derweil über Spotify „Renate’s Lieblings-Playlist“. Bei dem Lied > See you later Alligator< holen wir unsere ins Wasser gefallenen Morgenübungen nach und twisten eine Runde im Wohnmobil. Zwischen Küche und Bad ist dafür Platz! Wunderbar. Wir reden über unsere früheren Sturm-und Drangzeiten, als >Wild Thing< von The Troggs überall in den Musikboxen lief und Whisky-Cola noch das Getränk war! In memorium trinken wir heute >Canadian Club< mit Ginger Ale! Man muss ja schließlich mit der Zeit gehen.;-))

Vielen Dank für die vielen Nachfragen aus Deutschland ob wir denn schon erfroren wären! ;-)) Wir haben hier im Westen von Andalusien nicht mitbekommen, welche Auswirkungen das Tief „Filomena“ auf Zentralspanien hatte. In den Nachrichten sehen wir dann die Schneemassen und das Verkehrschaos. Wir hatten, wie gesagt, nur Regen und die Temperaturen sind gesunken. Aber am nächsten Morgen lacht die Sonne vom Himmel. Es ist windstill, wir machen einen Rundgang durchs Dorf und an den Strand und relaxen anschließend auf unserer Couch zwischen den Palmen.

Nach fünf Tagen auf dem urwüchsigen und direkt am Strand gelegenen Stellplatz verabschieden wir uns von den Jungs aus Sanlúcar de Barrameda und fahren in das ca. 10 km entfernte Chipiona. Wir tingeln also weiter nah an der andalusischen Westküste entlang. Chipiona bietet einen ansehnlichen Yachthafen, schöne Strände und eine ebenso schöne Promenade. Auf dieser machen wir unseren Morningwalk zum höchsten Leuchtturm Spaniens.

Der 1869 erbaute Leuchtturm ist das Wahrzeichen der Stadt an der Costa de la Luz. Mit seinen 69 m Höhe ist er sogar einer der höchsten weltweit. Es sind noch ein paar Wolken am Himmel, als wir in die Stadt kommen, später setzt sich die Sonne durch. Wir genießen den Walk so dicht am brandenden Altantik. Dirty Harry wartet derweil am Yachthafen auf uns.

Die schmalen Altstadtgassen laden zum Bummeln ein. Zu normalen Zeiten hätten wir in den vielen kleinen Bodegas einen Zug durch die Gemeinde gemacht. Wir genießen dennoch den Rundgang bleiben aber nicht über Nacht. Im nächsten Ort in Rota wollen wir Gas tanken und dann dort am Strand übernachten! Die Geschichten dazu und auch von unseren weiteren Aufenthalten in El Puerto de Santa Maria und Cádiz erzähle ich im nächsten Bericht!

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