„Das Königreich des Sonnenuntergangs“, so bezeichnet sich Marokko in der eigenen offiziellen Staatsbezeichnung. Das Land ist doppelt so groß wie Deutschland, hat aber nur ca. 35. Mio Einwohner. Die ersten Siedler waren die Berber, die heute auch noch einen hohen Bevölkerungsanteil haben. König Mohammed VI hat hier das Sagen, das Regierungssystem ist eine konstitutionelle Monarchie. Der König hat in allem das letzte Wort. Die Leute hier sprechen gut über ihren König. Sie sagen z.B. „das der König sich oft unter das Volk mischt“. Er verlässt seinen Palast regelmäßig, fährt mit dem Taxi in die Stadt und spricht mit den Leuten, was sein Vater nie getan hat. Dieser verschanzte sich in seinem riesigen Palast. Früher in Fés und jetzt in Casablanca besitzt der König weitläufiges Gelände. Unser Fahrer in Fés hat uns vor den Königspalast gebracht. In der langen Zufahrt mit den prächtigen Eingangstoren lassen sich die frisch getrauten Eheleute fotografieren. Eine schöne Tradition! Der König hat einzelnen Leuten, die ihn auf der Straße angesprochen haben und ihre Probleme geschildert haben, unbürokratisch geholfen. Das spricht sich in der Bevölkerung rum. Sie sagen aber auch, dass er von schlechten Beratern umgeben ist.
Wir jedenfalls können nur hoffen, dass der König immer weise Entscheidungen für die Zukunft des Landes trifft. Dieses Land und seine freundlichen Menschen hätten es verdient.
Unsere kleine Reisegruppe ist gut unterwegs. Wir besprechen gemeinsam am Vorabend unsere Route und was es unterwegs ggf. lohnenswertes zu sehen gibt und verabreden den nächsten Übernachtungsplatz. Dann gestaltet jedes Paar seinen Tag und wir treffen uns zum Feierabendbier wieder. So erobern wir uns das Land, dass uns immer mehr in seinen Bann zieht. Wir sind unterwegs im Mittleren Atlas. Wir haben Fés verlassen und unser nächstes großes Ziel ist Marrakesch. Dafür sind über 400 km Strecke zurückzulegen. Unterwegs gibt es viel zu entdecken. Auf der N 8 fahren wir zunächst bis Azrou. Das alte Zentrum eines Berberstammes liegt auf 1.250 m Höhe am Nordabhang des Mittleren Atlas und hat ca. 54.000 Einwohner. Der Name Azrou bedeutet Fels und kommt von dem am Rande der Stadt liegenden Felsen, der mit dem königlichen Symbol, der Krone, geschmückt wurde.
Auf dem Weg nach Azrou kommen wir auch durch Ifrane. Das Stadtbild ist gänzlich anders als das was wir bis jetzt gesehen haben. Die Stadt liegt auf 1650 m und besteht aus soliden Steinhäusern mit Spitzdächern. Ich sage zu Dieter, hier sieht es auch wie in einem Schweizer Bergdorf. Wir lesen später bei Frau Kohlbach im Reiseführer, dass Ifrane als französischer Ferienort gegründet wurde und auch die „marrokkanische Schweiz“ genannt wird. So hatte sich mein Gefühl doch nicht getäuscht. Die im Winter schneereiche Landschaft wirkt auf die meisten Marokkaner exotisch, was ich gut verstehen kann. Die angrenzenden großflächigen Ferienanlagen sind echt deplatziert und passen überhaupt nicht in die Gegend. Auch der König hat hier einen Palast. Ohne ihn zu sehen, kann man sich das denken. Hier ist alles super sauber, kein Plastik-oder anderer Müll liegt hier herum und es gibt ein erhöhtes Polizeiaufgebot. Wir schauen uns die Stadt trotzdem nicht an, die ist uns zu europäisch. ;-))
Einige Kilometer weiter auf der N8 gibt es nach einem Abzweig und mehreren Kilometern holprige Strecke, einen sehenswerten Baum. Die mit 42 Metern Höhe größte Zeder Marokkos, ist leider abgestorben, gibt aber ein majestätisches Bild ab. Im Schatten der anderen Bäume ist sie eine Touristenattraktion. Von hier werden Ausritte in die Gegend angeboten und die Berberaffen lassen sich von den Touristen mit Erdnüssen füttern. Ein ganz idyllischer Ort.
Die ausgebaute N 8 lässt sich gut fahren, so sind wir zeitig auf unserem kleinen Campingplatz Amazigh und genießen die Sonne und unser Feierabendbier. Der CP liegt einige Kilometer vor Azrou, neben der Hauptstraße, ganz ländlich wie in einem großen Garten. Um uns herum wuseln Katzen und Hunde. Auf dem Dach des angrenzenden Anwesens haben sich drei Storchen-Paare niedergelassen. Idylle pur.
Am nächsten Tag wartet eine neue Herausforderung auf uns. Unser Reiseführer empfiehlt eine Route durch schöne Landschaften, Hochebenen Wälder und Seen. Der „Preis“ dafür ist, dass nicht die breite Nationalstraße 8 nach Süden Richtung Marrakesch gefahren wird; die Empfehlung ist, nach dem Ortsausgang auf eine winzige Teerstraße abzubiegen.
Sie ist gerade so breit wie unser Wohnmobil, an den Rändern ausgefranst, aber sonst ganz ok. Ich frage mich die ganze Zeit, was machen wir, wenn uns jemand entgegenkommt ?! Prompt kommt uns der einzige Wagen auf der ganzen Strecke entgegen. Beide fahren auf die Kante und schon klappt die „Traversale“.
Die Strecke ist landschaftlich phantastisch, die Steineichenwälder reichen bis ans Fenster, die Ausblicke ins Atlasgebirge sind wunderbar.
Das Wetter ist leider etwas bedeckt. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch. Wir fühlen uns, wie allein auf der Welt. Fahren langsam diese winzige Straße entlang, warten bis Ziegen und Schafe über die Straße sind, winken dem Schafhirten freundlich zu. Der winkt zurück.
Wir kommen auf ein Hochplateau in 1500 m Höhe. Hier leben arme Berber-Familien, sie haben ihre primitiven Hütten mit Plastik umwickelt, um sich in dieser kargen Gegend vor dem Wind und Nässe zu schützen.
Kinder stehen winkend am Wegesrand, ihre Mütter hinter ihnen. Wir geben den Kindern Bonbons und die Mütter fragen nach Medizin, die wir leider nicht dabei haben. Aber einige unserer T-Shirts wechseln den Besitzer. Eigentlich brauchen sie warme Kleidung. Beim nächsten Mal sind wir schlauer.
Wir kommen an die Quellen des Flusses Oum er-Rbia. Er ist der größte Fluss Marokkos. Das Besondere ist, dass der Fluss aus zwei Quellen gespeist wird. Die rechte Quelle ist salzhaltig, sprudelt in einem kräftigen Schwall den Berg hinunter und sammelt sich zusammen mit dem linken Quellfluss in einem glasklaren See. Die linke Quelle rauscht als Wasserfall den Berg hinab, ist am Anfang auch noch salzhaltig, bis mehrere Süsswasserquellen zu fließen. Der Wasserfall wird in einigen Minuten Fußmarsch erreicht. Dazu bieten Führer auf dem kleinen Parkplatz ihre Dienste an. Ich wollte aber selber ein Stück laufen, die Jungs standen aber schon um das Fahrzeug rum. Mit ein wenig Herzklopfen bin ich ausgestiegen und habe deutlich gemacht, dass ich keinen Führer brauche.
Ich habe sie dabei freundlich angelacht. Sie waren zwar nicht begeistert, haben mich aber in Ruhe gelassen. Langsam verliere ich die Scheu vor diesen Marokkanern. Überhaupt stellen wir zwei Dinge fest. Wenn man freundlich auf die Menschen zugeht, entsteht in der Regel kein Problem. Und insbesondere, wenn wir zuerst winken oder lächeln, kommt ein Winken oder Lächeln zurück. Heute habe ich viel gewunken in dieser unwirtlichen Gegend. Dieter taufte mich „seine Queen-Mum“.
Als nächstes erreichen wir den Aguelmame Azigza. Das heißt übersetzt „Der blaue See“. Der tatsächlich türkisblaue Azigza-See (wenn die Sonne drauf scheint), liegt umgeben von rotbraunen Verhängen zwischen Steineichen- und Zedernwäldern. Viele Hirten kommen mit ihren Schafen hierher. In den Wäldern leben scheue Berberaffenfamilien. Wir konnten uns nicht satt sehen an dem Rumgetobe des Jungvolks auf den Bäumen und am Boden.
Ansonsten ist die Gegend das Naherholungsgebiet vieler Marokkaner. In den Hütten rund um den See wird den Gästen Essen und Trinken angeboten. Leider ist überall alles zugemüllt. Eine Katastrophe. Die Menschen hier haben zwar einen Blick für die Natur, gehen aber damit nicht nachhaltig um. Das einfachste ist alles wegzuwerfen.
Bei der Weiterfahrt beobachten wir, wie Mütter ihre Kinder von der Schule abholen: Das ist doch nichts erwähnenswertes, könnte man denken. Wenn das Transportmittel aber nicht der bei uns übliche Mittelklassewagen ist, sondern ein Esel, dann müssen wir doch mal genauer hinsehen!
Wir kommen nach ca. 80 km herausfordernder Geländetour mit vielen Erlebnissen, zurück auf die N 8 und fahren über die Orte Khénifra und Kasba Tadla nach El Ksiba. Hier haben wir uns mit Sabine und Thomas einen Übernachtungsplatz an einem ehemaligen Campinggelände ausgeguckt. Insgesamt sind wir heute über sechs Stunden für ca. 200 km auf den marokkanischen Straßen unterwegs gewesen und meinen uns das Feierabendbier redlich verdient zu haben.
Den Abschluss der Tour durch den Mittleren Atlas bilden die Wasserfälle von Ouzoud. Dazu fahren wir auf der N 8 ca.150 km weiter in Richtung Süden. Der Ort Ouzoud ist wegen der höchsten und schönsten Wasserfälle Marokkos bekannt. Vorher lockt aber noch der wohl größte Stausee Marokkos. Dazu biegen wir in Afourer, einem netten Städtchen am Fuße des Mittleren Atlas, von der Hauptstraße ab und fahren hoch in die grünen Atlas-Berge. Die Straße windet sich immer höher hinauf und bietet eine herrliche Aussicht in die Ebene.
Bei 1300 m ist der Scheitelpunkt erreicht und es geht abwärts in Richtung des Stausees Bin-el-Ouidane. Er liegt auf 1200 m Höhe, wurde 1955 erbaut und wird wegen der Angst vor Anschlägen vom Militär schwer bewacht. Fotografieren ist strengstens verboten.
Nach der großen Staumauer tut sich die Idylle pur auf. Es gibt eine kleine Straße, die noch eine Zeitlang am See vorbeiführt. Zwar ohne Navigation und nur nach Kilometerzähler, aber wir haben die Hauptstrecke wiedergefunden und diesen Abstecher genossen!
Einmal mehr genießen wir auch unterwegs die Freundlichkeit der Menschen, die uns immer mal wieder zuwinken, insbesondere die Kinder haben Spaß, wenn wir sie begrüßen. Überall sehen wir Schulen und Kindergärten, die bunt angemalt sind. Obwohl wir uns noch in der Berber-Region aufhalten, sieht man einen deutlichen Unterschied zwischen der ärmeren Gegend in der Hochebene und der hier in den fruchtbareren Tälern.
Wir erreichen unseren Campingplatz „Zebra“ in Ouzoud am frühen Nachmittag. So haben wir noch ausreichend Zeit, die unten im Ort liegenden Wasserfälle anzusehen. Wir sind froh, mal wieder zu Fuß unterwegs zu sein und genießen den Hin-und Rückweg, der ungefähr 5 km lang ist.
Der Campingplatz ist ein kleines Juwel mitten in der kargen Landschaft am Nordhang des Hohen Atlas. Auch die dortige Küche hat uns mit Couscous, Gemüse u. Hühnchen aus dem hier üblichen Kochtopf, der Tajine.
Hallo,
Ihr habt euch eine tolle Route ausgesucht. Ich hätte mir nur mehr Zeit gelassen.
Viele Grüße aus dem verregneten Saarland
Ilse, Wolfgang und Guinness
Hallo Ihr Lieben,
Zeit hat man irgendwie nie genug, liebe Ilse. Aber zum Kennenlernen und „Antesten“ ob wir hier nochmal hinfahren wollen, reicht sie.
Hallo ihr Beiden,
klasse, euer Abenteuer Marokko! Mittlerweile haben wir unsere 2 Versuche eine Marokko Reise mit dem Reisemobil hinzukriegen at Akta gelegt. Umso schöner von euch darüber zu lesen.
Auch eure Landesinfos finde ich immer sehr interessant, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass gerade viele junge Marokkaner darunter leiden, keine adäquaten Jobs zu finden, speziell auf dem Land. Sicher auch einer der Gründe warum der IS einen besonders hohen Zulauf, im besonderen von jungen Marokkaner verzeichnet.
Auch die neuesten Geschehnisse lassen uns nicht unberührt, ohne Hysterie, aber passt gut auf euch auf.
Liebe Grüße
Beate & Toni
Hallo liebe Beate,
Wir fahren mit offenen Augen durch das Land und sehen schon vieles was angepackt werden müsste. Genau wie du sagst die Landbevölkerung hat es schwer. Wir fragen uns oft wo von die wohl leben. Wir passen auf uns auf, genießen aber auch dieses Land. Vielleicht gelingt uns ja ein Treffen in 2019. Dann können wir uns über die Reise nochmal genauer austauschen. Es wäre zu schade wenn ihr dieses Land nicht besuchen würdet!
Ein freundliches hallo,
nachdem wir im 2011 eine geführte Reise durch Marokko erleben durften, erinnern wir uns sehr oft an diese Reise und die schönen Begegnungen. Nun erwägen wir im September Marokko wieder zu bereisen.
Euer sehr schön geschriebener Bericht animiert uns noch mehr. Habt weiterhin schöne Reisen,
Grüße Martina und Udo
Hallo zusammen,
danke für die Rückmeldung…
Solltet Ihr dann noch relativ aktuelle Informationen benötigen, könnt Ihr gerne mit uns Kontakt aufnehmen