„Herbstflimmern in Bella Italia“: Auf’m Vesuv

Auf der Autobahn Richtung Neapel herrscht dichter Verkehr. Unser nächstes Ziel ist der Vesuv und Pompei. Hoffentlich meint es der Wettergott gut mit uns. Wir wollen unbedingt auf den Berg und in den Krater schauen! Es gibt jetzt Anfang Oktober immer mal wieder Regentage und das Wetter wird unbeständiger. Kurz denken wir darüber nach noch in Rom vorbeizuschauen, verwerfen das zunächst wieder, auf dem Rückweg gibt es auch nochmal die Gelegenheit. Es findet sich ein schöner Übernachtungsplatz vor Rom in der Nähe von Civitavecchia. Im Vorbeifahren sehen wir einige Kreuzfahrtschiffe dort im Hafen liegen! Die Reiseindustrie nimmt weiter Fahrt auf. Wir erleben eine schöne Abendstimmung auf dem Parkplatz des „Castello die Santa Severa“ in Santa Marinella, direkt am Meer. Hier können Wohnmobile für eine geringe Parkgebühr auch übernachten.

290 Kilometer weiter kommen wir am Golf von Neapel an. Die Sonne scheint, keine Wölkchen am Himmel, eine herrliche Fernsicht. Genau das richtige Wetter für den Vesuv. Es ist Sonntag, als wir uns durch das Gewimmel der Straßen von Neapel und die Serpentinenstrecke hoch auf den Parkplatz des Berges begeben. 7 Kilometer Haarnadelkurven, verlangen von Fahrer und Wohnmobil höchste Konzentration. Wie ich schon sagte, es ist Sonntag und wieder mal ist ganz Italien unterwegs auf den Berg und in die, an der Strecke liegenden, Lokale zum Mittagessen. Das hatten wir nicht bedacht. In jeder noch so engen Kurve hupen die Italiener mit ihren kleinen Fiats, wenn sie dich überholen. Aber auch Reisebusse und der normale Linienbus kommen uns entgegen, oder wollen vorbei. Ich, auf dem Beifahrersitz, obwohl nicht beteiligt, weiß nicht so genau, wo sie hinschauen soll. Auf die wunderbare Fernsicht, die immer atemberaubender wird, je höher wir kommen, oder lieber auf den Boden vor meinen Füßen!

Schon vor dem offiziellen letzten Parkplatz in Richtung des Einganges ist alles zugeparkt. Wir haben keine Chance. Die freundlichen Parkplatzwächter weisen uns auf eine Internetadresse hin. Coronabedingt kann man nur elektronische Tickets buchen. Alle Tickets sind für diesen Sonntag ausgebucht. Die entsprechende Internetadresse hängt auch überall aus. OK, wir werden am nächsten Morgen gleich unser Glück versuchen.

Auf einem großen Pizzeria-Parkplatz dürfen wir stehen und auch übernachten. Es gibt hier einen grandiosen Ausblick, wie vom Balkon, auf den Golf von Neapel. Das sieht auch ein Busfahrer so, er bringt seine Gäste zum Sonnenuntergang genau an die Stelle, während wir einen guten Roten trinken und die Aussicht genießen. Kurze Zeit sind wir quasi „im Zoo“…aber dann haben wir das „Ganze“ für uns und das Tor schließt sich, mit dem Versprechen, uns morgens wieder rauszulassen!!!

Am nächsten Morgen haben wir Glück, wir bekommen eines der letzten Tickets im Internet. Das Wetter passt auch, also nichts wie hoch auf den Berg. Wir parken und gehen dem asphaltierten Weg nach, den mächtigen Berg, der insgesamt 1281 m hoch ist, immer im Blick! Am Eingang angekommen zeigen wir unser elektronisches Parkticket und werden abgewiesen. Das ist nur das Parkticket, sagt der Mensch an der Kontrolle, Sie brauchen ein Ticket für den Park! Damit meint er den Naturpark-Vesuv! Wir sind baff und sprachlos! Überall wird diese von uns verwendetet Internetadresse propagiert und nirgendwo wird eine Unterscheidung gemacht, dass man quasi zwei Tickets braucht. Eines zum Parken und eines für den Park. „Gehen Sie am besten zu einer Reiseagentur, dort kann man Kombitickets buchen“, wird uns noch empfohlen. Ich hatte davon schon vorher gelesen. Es gibt ganz viele Angebote im Internet von Agenturen: Busfahrt zum Vesuv, nach Pompei und eine Bootsfahrt auf eine Insel inclusive für 150 Euro z.B. Das brauchen wir aber alles nicht, wir haben ein Wohnmobil und wollen auf den Berg, was anscheinend so einfach nicht geht. Ein Schelm, der Böses dabei denkt, wenn hier jeder mitverdienen will an einer „einfachen“ Bergbesteigung!

Das Drama müssen wir erst einmal verdauen und setzen uns in den Picknickbereich. Also gut, der Vesuv-Besuch hat sich für diese Reise erledigt. Es gibt hier oben keinen Internetempfang, also können wir nicht weiter recherchieren. Wir essen unsere Brotzeit und sehen die verschiedenen Hinweisschilder für Wanderwege. Der „Valle d’Inferno“ gefällt uns, denn in uns tobt auch ein Inferno! Lass uns mal bis um die Ecke gehen, schlage ich vor, vielleicht können wir einen Blick von hier oben auf Pompei werfen. Denn der Wanderweg verläuft angeblich so, wie damals bei der großen Eruption im Jahr 79 n. Christus, als die Lavamassen den Berg hinunterflossen und die römischen Städte Pompeji, Herculaneum und Stabiae zerstört wurden. Wir wandern einen schmalen Pfad entlang, ich muss immer an diesen Ausbruch denken. Wenn eine Wolke vor die Sonne gerät und ein dunkler Schatten über den Berg huscht, bekomme ich trotz der Hitze eine Gänsehaut.

Der Vesuv ist schließlich einer der bekanntesten Vulkane der Welt und zählt immer noch zu den gefährlichsten Feuerbergen der Welt. Für ihn sind lange Ruhephasen typisch, um dann in einer gewaltigen Eruption zu explodieren. Umso erstaunlicher ist es, dass der Vulkan bis an seiner Flanke dicht besiedelt ist. Insgesamt leben ca. 3 Millionen Menschen um die Hänge des Vulkans. Im Falle eines erneuten, großen Ausbruches wäre die Katastrophe perfekt. Selbst mit den ausgeklügelten Frühwarnsystemen der Vulkanologen dürfte es unmöglich sein so viele Menschen rechtzeitig zu evakuieren. 1944 ist der Vesuv zum letzten Mal ausgebrochen.

Ja, ich hatte mich gut eingelesen in die Geschichte des Vulkans. Wir wandern immer noch nach vorne zur Kurve, um um die „Ecke zu gucken“ und merken dabei, dass der Pfad immer stetig nach oben führt. Dieter sagt: „Ich hab fast das Gefühl, als ob hier auch mal ein offizieller Weg nach oben führte, der jetzt nicht mehr genutzt wird“. Das wäre ja ein Ding! Dieser Gedanke setzte neue Kräfte frei. Plötzlich höre ich hinter mir ein Geräusch. Ein junger Mann eilt mit langen Schritten den Berg hinauf. Er ist Ire, kommt aus Dublin und heißt Sean. Später treffen wir noch auf eine deutsche Frau, die sich zwischen Geröll und Büschen einen Weg nach oben sucht. Wie sich in Gesprächen herausstellt, ging es den Beiden so ähnlich wie uns. Sie hatten kein Ticket und suchten sich ihren eigenen Weg nach oben. Insbesondere Sean war beseelt, auf den Berg zu kommen und in den Krater zu schauen. Er hatte eine Woche Urlaub und war hierher geflogen um sich Neapel, den Vesuv, Pompei und Capri anzusehen. Ihm hatte man ein Busticket für 20 Euro verkauft. Angeblich war der Eintritt in den Park inkludiert, was nicht stimmte, als die Leute am Eingang ankamen. Niemand hatte ein gültiges Ticket und der Bus war weg. Unglaublich! Wir gehen gemeinsam immer weiter den Berg hinauf. Es ist anstrengend und ich denke zwischendurch, was alles passieren könnte bei einem Ausbruch. Tatsächlich kommen wir nach zwei Stunden um eine Ecke und sehen ein Parkwächterhäuschen und rotes Flatterband, welches den weiteren Weg versperrt. Von der anderen Seite kommen die Leute auf einem breiten Weg um den Krater herum zu diesem letzten Aussichtspunkt und schauen uns verwundert an, da wir auf der einen, abgesperrten Seite und sie auf der „offiziellen“ Seite stehen!

Dieter biegt am Flatterband ab und geht kerzengerade den Berg weiter hoch bis zum Krater. Sean, die Deutsche und ich trauen uns das nicht zu. Wir wollen aber auch etwas zu sehen bekommen. So nah am Ziel! Als die Parkwächter mal nicht hinsehen, ducken wir uns unter dem Flatterband hindurch und mischen uns unter die „normalen“ Vulkanbesucher. Die Sicht ist traumhaft, wir schauen uns alles an. Der Blick in den Krater ist tatsächlich nicht spektakulär. Es wachsen Bäume darin, es hat den Anschein, als könne der Berg kein Wässerchen trüben! Ich schaue immer nach Dieter. Plötzlich sehe ich sein türkisfarbenes T-Shirt auf dem höchsten Punkt des Kraters, genau mir gegenüber, aufleuchten. Mir bleibt fast das Herz stehen. Wie kommen wir Königskinder bloß wieder zusammen. Ich bin froh, dass Sean an meiner Seite geblieben ist. Wir lassen das Ganze nochmal auf uns wirken, freuen uns was wir erreicht haben und wollen wieder unter dem Flatterband hindurch auf den Rückweg. Von wegen! Die Obrigkeit in Uniform hat uns gesehen und weist uns streng an, diesen verbotenen Weg nicht zu nehmen.

Oh je, was jetzt?! Wir sind nun auf dem offiziellen Vesuv-Terrain ohne Eintrittskarten und müssen den Weg bergab zum Eingang gehen. Dieter ist irgendwo verschwunden, hoffentlich findet er einen Weg zurück. ich kann ihn nicht anrufen, hier oben ist kein Empfang. Sean und ich wandern langsam den Berg hinab und erzählen uns unser Leben, damit wir die Spannung irgendwie aushalten. Es geht ziemlich steil und lang nach unten. Uns kommen viele Menschen entgegen, mit hochroten Köpfen vor Anstrengung und fragen wie weit es noch sei. Eine ältere Dame, die fast nicht mehr kann, fragt, ob es sich denn tatsächlich lohnt, dort hinauf zu gehen. Was soll man denn da für eine Antwort geben? Ja, sagen wir, wenn man es schon bis hierher geschafft hat, sollte man weiter gehen. Auf einem Vulkan „tanzt“ man nicht alle Tage! Alle Umstehenden lachen befreit, es geht weiter. Für uns nach unten. Sean verlässt mich, er muss den Bus nach Pompei kriegen. Ich erreiche endlich Dieter auf dem Handy und erzähle wo ich jetzt bin und was ich mir überlegt habe, was ich unten am Eingang sage, wenn man nach meiner Eintrittskarte fragt. Wir wissen ja nicht, ob man beim Rausgehen nochmal kontrolliert wird, so wie z.B. bei Messebesuchen. Auf dem letzten Stück zum Eingang helfen mir meine „kölschen Lieder“ über die Nervosität hinweg. Ich sehe Sean noch, wie er durch eine offene Holztür nach draußen schlüpft. Das mache ich auch. Der Eingang ist stark frequentiert, keiner achtet auf mich! Und schon bin ich draußen und kann Dieter anrufen. Er kommt auf dem gleichen Weg zurück, den wir hoch gegangen sind!

Was für ein Tag! Er hat mit einem riesigen Enttäuschung begonnen und ist extrem erfolgreich geendet! Mein Lieblingsmensch war auf dem höchsten Punkt des Kraters und ich habe den Berg einmal umrundet. 12 Kilometer sind wir insgesamt gelaufen. Ein Wahnsinns-Kraftakt! Wir kriegen uns nicht mehr ein! Ohne Worte fahren wir die 7 Kilometer den Berg hinunter nach Pompei. Hier ist der touristische Teufel los. Schlangen am Eingang zum Ausgrabungsgelände. Mein Fahrer hat keine Lust auf alte Steine und ich tue mir das heute auch nicht mehr an. Ich schaue mir die Jungs ohne Arme und Beine nur kurz von draußen an. Vielleicht ein anderes Mal. Einen Eindruck von der damaligen Zerstörung bekommt man auch von außen!

Wir übernachten auf einem spannenden Stellplatz in Pompei mit einem herrlichen Blick auf den Vulkan. Er trägt den bezeichnenden Namen „La Terrazza di Hermes“. Ein freundlicher „Hermes“ begrüßt uns mit einem leckeren Limoncello. Wir lassen den Tag mit vielen Getränken ausklingen. Unser Abenteuer, eine Bergbesteigung auf verbotenen Wegen, wirkt noch lange nach! ;-))

4 Kommentare bei „„Herbstflimmern in Bella Italia“: Auf’m Vesuv“

  1. Hallo ihr Lieben, wieder einmal ein sehr sehr schöner Reisebericht! Renate du hast uns auf Spannung gehalten und zum Schmunzeln gebracht. Weiterhin schönes Reisen für euch

    1. Danke Monika,
      Beim Reisen gibt es viel zu erleben, zu entdecken, aber auch auszuhalten….
      Herzliche Grüße von uns!

  2. Liebe Renate, ich habe deine Anspannung mitgespürt. Da konntest du das Erlebnis sicher erst wieder genießen, als du auch durch das Holztor geschlüpft warst und Dieter erreicht hattest…♥️Liebe Grüße, Mari

    1. Hallo Mari,
      ja es war echt super aufregend, aber schön!
      Schön von euch zu hören! Wir sind jetzt in Apulien! Ist auch sehr schön.
      Vor lauter schön, komme ich nicht zum Schreiben. :-))
      Herzliche grüße von uns!

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