Ein Sommer in Deutschland: Auf den Spuren von Theodor Fontane durch die >Mark Brandenburg<

Also ich mag Theodor Fontane. In der Schule schon habe ich mit wachsender Begeisterung Gedichte auswendig gelernt und das Stück von Fontane „ Herr von Ribbeck zu Ribbeck im Havelland“ mochte ich besonders gern. Es erinnerte mich an meine Kindheit. Wir hatten Obstbäume im Überfluss, nur keine Birnbäume, weil mein Opa die nicht mochte. Aber unter Dorfnachbarn gibt es ja auch einige Gute und so bekamen wir von Onkel Franz immer leckere Birnen. Soweit so gut. In der Schule gehörte Fontane zum Lehrstoff, also musste ich mich mit ihm befassen. Später aber habe ich tatsächlich einige Bücher freiwillig gelesen. Dabei hat Effi Briest(1894)  mich am meisten berührt. Was bin ich froh, dass ich in dieser Zeit nicht leben musste!
Von daher gab es schnell zwei Gründe, warum wir doch noch einen Schlenker nach Norden in diesem wunderbaren Bundesland Brandenburg machen. Einmal können wir noch nicht so schnell vom Wasser Abschied nehmen. So folgen wir dem Elbe-Havel Kanal in Richtung der Stadt Brandenburg. Und dann ist ja da noch Theodor Fontane, der in fünf Bänden seine Wanderungen durch die Mark Brandenburg mit dem Zitat  begonnen hat: „Ich bin die Mark durchzogen und habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte.“
Das schaffen wir auf dieser Reise nicht, zumindestens wollen wir endlich zum Birnbaum des Herrn von Ribbeck. 
Vorher übernachten wir noch in der Mühle Zänker etwas außerhalb von Burg bei Magdeburg in einem kleinen Dorf.

Zu der Mühle gehört ein großes Gelände. Wir übernachten mit noch zwei anderen Wohnmobilen im Hof und dürfen das ganze Gelände und den verwunschenen Garten, in dem ein kleiner Bach fließt, mitbenutzen. Herrlich romantisch das alte Mühlrad. Abends wird ordnungsgemäß das Hoftor verschlossen.

Im Mühlenlädchen von Frau Hüttner versorgen wir uns mit selbst zusammengestellten Müslisorten und eingemachter Wurst in Gläsern. Lecker! Die Mühle ist in der 4. Generation in der Familie. „ Nu is aber Schluss sagt die „Müllerstochter“. Unsere Kinder haben eigene Berufe und die Zeit dreht sich weiter. Ihr Mann ist für das Herstellen des Mehls, des Vieh- und Vogelfutters usw. zuständig und beliefert auch die umliegenden Bäcker. Immer mehr geben diesen Beruf auf. „Die Welt lebt fast nur noch von Teiglingen. Keiner hat mehr Zeit, dem Teig die nötige Zeit des natürlichen „Gehens“  zu geben“, sagt die Chefin.

Bei einem Rundgang durch die Mühle erzählt sie noch von der Wendezeit. „Auf einmal war alles anders. Von jetzt auf gleich! Da stehen die Beamten der Treuhandgesellschaft vor uns und sagen wo es nun langgeht und was wem gehört!“ Bei der weiteren Schilderung kann ich immer mehr verstehen, dass in dieser Zeit so manches „ Kind mit dem Bade“ ausgeschüttet wurde, und warum es auch heute, 30 Jahre nach der Wiedervereinigung, noch viele Vorbehalte gibt.
Nachdenklich setzen wir unseren Weg fort und fahren an die Elbe und den Havel-Kanal. So eine schöne ruhige ursprüngliche Gegend. An unserem Picknickplatz finde ich eine Plakat von Kindern gemalt auf dem steht „ Nimm ein Lächeln mit“, was ich sofort mache! Das tut gut nach dem schwierigen Gespräch über Ost und West.

Das „Lächeln“ hängt jetzt im Wohnmobil passend bei Claude’s gebasteltem Schmetterling.

Unterwegs besichtigen wir das Kloster Jerichow ein altehrwürdiges Stift; gegründet im Jahr 1144. Die Stiftskirche gehört zu den ältesten Backsteinbauten in Norddeutschland. Am meisten aber fasziniert mich, dass wir den Jungstörchen bei ihren ersten Flugversuchen zusehen können. Im Klostergarten hautnah. Unbeschreiblich!

 Und wie diese großen Tiere in ihren hohen Nestern alle Platz finden. Das gehört für mich auch zu den Wundern der Natur. 
Mittlerweile sind wir beim Schloss derer von Ribbeck angekommen. im Ortsteil Nauen ist natürlich alles auf Birnen und Theodor Fontane getrimmt. Dabei war er selber gar nicht vor Ort. Aber wir! Ob es wohl für unseren Flair hier in dem idyllischen Örtchen einen Platz gibt!? Wir haben Glück. Da wegen der Pandemie keine Reisebusse unterwegs sind, können wir bequem auf dem Busparkplatz stehen. Das wird uns an anderen Orten auch noch zugute kommen. Ich sitze unterm Birnbaum, der leider nicht mehr der aus dem Gedicht ist.

Jeder weiß natürlich, dass dieser besagte Baum im Jahr 1911 einem Sturm zum Opfer fiel. Der daraufhin neu gepflanzte Birnbaum trug kaum Früchte. Und der unter dem ich sitze, ist aus dem Jahr 2000 also noch relativ neu. Er trägt reiche Frucht und wird dem alten Herrn von Ribbeck und seiner Freigiebigkeit bestimmt gerecht. Im naheliegender Café, welches früher das Ribbeck‘che Waschhaus war,  werden wir auf das köstlichste bewirtet. Hier gibt es original Ribbecker Birnentorten. Die Chefin trägt mit einer Grazie die alten Unterkleider von früher. Ihr herzliches Auftreten lässt mich an ein Zitat aus den schon erwähnten Reisebüchern von Fontane denken: „ Das Beste dem du begegnen wirst, werden die Menschen sein“!   Wir sitzen an einem aus Holz gefertigten Bügelbrett und lassen es uns schmecken.

Wir besuchen noch den Friedhof der Ribbecks. Die Familie musste viele Schicksalschläge hinnehmen. Drei ihrer Kinder starben dicht hintereinander an Diphterie , der letzte Graf von Ribbeck wurde kurz vor Kriegsende im KZ ermordet, weil er Hitler seine Gefolgschaft strikt verweigert hat. 
Zurück am Womo, an dessen Parkplatz der Havelradweg vorbeiführt, weist eine große Tafel auf die Theodor-Fontane-Route hin. Das wird gleich für eine unsere nächsten Reisen notiert. Auf dem Rückweg von unserem Abstecher übernachten wir im Ort Kloster-Lehnin, um auch noch dieses Zisterzienserkloster zu besichtigen von dem die Gegend  seit 1180 ihren Namen hat. Wir schlafen wunderbar auf unserem „Boondocking“ Platz im Wald, machen am nächsten Morgen eine Wanderung um den malerischen Klostersee und kommen dann auf unsere Ursprungsroute zurück. 

Weiter geht’s ins Baruther Urstromtal…..

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