Rundreise „Ostpreußen“-Masuren: Ermland und südliches Masuren

Ermland,—– so lautet der alte deutsche Name für die Landschaft Warmia, die sich vom „Frischen Haff“ bis zur Woiwodschaftshauptstadt Olsztyn im südlichen Masuren erstreckt. Bis zur Eroberung durch die Ritter des Deutschen Ordens lebten prußische Stämme im Land (13Jh).

Wir sind in Allenstein an der Masurischen Seenplatte im historischen Ostpreußen -das heutige Olsztyn. Eingebettet in eine herrliche Seenlandschaft schmückt sich die Hauptstadt des Ermlands mit einer hübschen kleinen Altstadt und einer sehenswerten Bischofsburg.

Sie ist die größte Stadt im Nordosten Polens. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs (im Januar 1945 besetzen sowjetische Truppen die Stadt, die kurz danach in Flammen aufgeht) etwa zur Hälfte zerstört, wurde der überschaubare historische Stadtkern später wieder aufgebaut. Landschaftlich sehr schön gelegen — allein 11 Seen befinden sich im Stadtgebiet, das etwa zur Hälfte aus Wald und Grünanlagen besteht–, gehören die rekonstruierten Altstadtgassen, die Kirche St. Jakob und vor allem das Burgschloss zu Olsztyns besonderen Sehenswürdigkeiten. Bei gutem Wetter, aber frischem Wind werden wir von der rüstigen Stadtführerin Theresa Böhm durch die Altstadt geführt.

Das backsteingotische Hohe Tor ist der erste markante Blickpunkt von als wir aus dem Taxi steigen. Die Bewohner im 14/15 Jh. waren streng katholisch erzählt uns Theresa und niemand anderes durfte hinter dem Tor in der Innenstadt wohnen.

Alle Backsteinkirchen stammen aus dieser Zeit. Die schon erwähnte Jakobikirche ist auch heute noch jeden Tag beim Gottesdienst voll besetzt. Darauf ist sie stolz. Die Kirche ist gemütlich alt und muffelt auch ein wenig. Bei dem Geruch denke ich an meine Moselaner Oma. Ihr „gutes“ Wohnzimmer roch immer so wenn sie vor den hohen Feiertagen frisch gebohnert hatte.

Theresa zeigt uns in der Kirche noch ein Hirschgeweih welches als Kronleuchter von der Decke hängt und erzählt uns die folgende Geschichte dazu:

Ein reicher Mann wollte ein schönes Mariellchen heiraten. Das Mädchen zierte sich und sagte: Ich heirate Dich wenn du einen Hirsch in diese Kirche bringst“. Der Zufall wollte es, dass sich ein Hirsch in die Kirche verlief und dort vor Aufregung starb. Der reiche Mann kam zu dem schönen Mariellchen, sah ihre Bedingung als erfüllt an und wollte sie nun endlich heiraten. Das sagte das Mädchen ganz von oben herab: Der Hirsch sollte doch lebendig sein!….. Tja so kann es gehen. „Meine Lieben“ folgt mir, war Theresas liebster Satz.

Wir gehen durch die kleine Stadt mit ihr zum Geburtshaus des berühmten Architekten, Erich Mendelsohn, weiter zum Burggraben und zur Statue von Nikolaus Kopernikus, der hier einige Jahre gelebt hat.

Wenn die kleine Stadtführerin auf den Zweiten Weltkrieg zu sprechen kommt und auf die Flucht und Vertreibung der Menschen von hier, dann meint man der Krieg wäre erst gerade zu Ende gegangen. Ich bin sehr froh, dass ich diese schlimmen Jahre nicht erleben musste. Zum Abschluss des Stadtrundgangs kaufen wir noch typisch polnische Souvenirs in einem schönen alten Geschäft am Hohen Tor.

Am Nachmittag wird es rustikal. Wir werden von einer Pferdekutsche abgeholt und auf einen polnischen Bauernhof gebracht.

Dort verleben wir in der Scheune bei offenem Feuer schöne Stunden bei typisch polnischer Musik, Tanz, und gutem Essen.

Dabei werden die Aktivitäten einer typischen polnischen Hochzeit nachgestellt. Eine Reiterin umrundet mit ihrem Pferd unseren Tisch und das Pferd(!) sucht aus der Gruppe die „Brautpaare“ aus.

Uuuuh, das war ein wenig unheimlich, ein so großes Tier so nah zu spüren! Wir haben jede Menge Spaß. „Na zdrowie!“

Am freien Tag erkunden wir die sehr ursprüngliche Gegend. Es ist wunderschön an einem masurischen See zu stehen. Nachmittags lassen wir das nächste Geburtstagskind hochleben.

Der Wind frischt abends auf, wir sitzen dennoch beisammen und erzählen uns Geschichten aus unseren bewegten Leben.

Der nächste Tag bietet ein wahres Kontrastprogramm. Am Vormittag steht die Fahrt durch die masurischen Dörfer nach Swieta Lipka an. Die Straßenverhältnisse waren ziemlich herausfordernd und passten nicht so wirklich in die malerische Landschaft.

Święta Lipka ist einer der bekanntesten polnischen Marienwallfahrtsorte und wird von Pilgern und Touristen gleichermaßen gerne besucht. In dem bis 1945 ostpreußischen Dorf wurde die barocke Wallfahrtskirche Heiligelinde gebaut. Die Basilika mit Kreuzgang und Kloster gehört zu den bedeutendsten Denkmälern des Barock in Nordpolen.

Święta Lipka liegt am Nordufer des Heiligelinder See. Die Ursprünge des Kults von >Unserer Lieben Frau von Heilige Linde< (polnisch Święta Lipka) gehen zurück auf eine Sage aus dem 14. Jahrhundert. Sie berichtet von einem Verurteilten, der auf Intervention von „Unserer Lieben Frau“ eine aus Holz geschnitzte Figur ihres Kindes anfertigte. Nachdem er wegen dieser Skulptur freigelassen wurde, hängte er die Figur an eine Linde. Viele Wunder sollen sich in der Folge um die Statue des Marienkindes ereignet haben.

Die Waltfahrtskirche Heiligelinde passt sich harmonisch in die grüne Landschaft ein. Sie ist mit beeindruckenden Fresken, Bildhauerwerken aus Stein und Holz, Werken der Goldschmiedekunst und schmiedeeisernen Figuren geschmückt.

Imposant und sehr interessant ist die barocke Orgel. Wir hatten die Gelegenheit ein schönes Orgelkonzert zu hören. Dabei bewegten sich die goldenen Figuren und Glocken, mit denen die Orgel reich geschmückt ist, im Takt mit. So etwas hatte ich vorher noch nie gesehen.

Sehr schön ist auch das schmiedeeiserne Haupttor- eines der wertvollsten Meisterwerke der Schmiedekunst, die man in Polen sehen kann.

Bevor wir uns zum Konzert getroffen haben, fährt Werner mit seiner Conny und unterstützt von Matthias, der für sie dolmetscht, in die alte Heimat seines Vaters unweit der russischen Grenze. In dem Dorf Gorkowo wurde im Oktober 1919, also vor 100 Jahren Werners Vater geboren. Hier suchen sie nach seinem Elternhaus. Niemand der dort noch lebenden Familien kennt den Vater oder das Haus.

Symbolisch nimmt Werner einen alten Baum anstelle des Vaterhauses in „Besitz“ und nimmt für seine Familie als Erinnerung einige Steine aus dem Dorf mit, sozusagen als Überreste des Vaterhauses. Dieser Besuch in die Vergangenheit hatte für Werner eine emotional hohe Bedeutung und hat ihn sehr berührt.

Am Nachmittag tauchen wir ein in das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Wir besuchen die Wolfsschanze in Gierloz/Görlitz und übernachten auf dem angrenzenden Campingplatz.

Im Führerhauptquartier Wolfsschanze bei Ketrzyn hat der deutsche Reichskanzler und Diktator Adolf Hitler den größten Teil des II. Weltkrieges verbracht, um näher an der Ostfront zu sein. „Wolf“ war das Pseudonym für Hitler. Mit ihren riesigen Bunkern ist die Wolfsschanze nicht nur ein Symbol des Größenwahns der Nationalsozialisten.

Sie ist auch ein Symbol für den Widerstand gegen die nationalsozialistische Diktatur. Am 20. Juli 1944 verübte Claus Schenk Graf von Stauffenberg hier ein Attentat auf Hitler.


Tief in den Wäldern Masurens verstecken sich bis heute die Reste mehrerer ehemaliger Quartiere der deutschen Reichsregierung. Der Öffentlichkeit ist meist nur das  Führerhauptquartier Wolfsschanze bekannt.

Wir stehen hier sozusagen in Hitler´s Schlafzimmer.

Er hielt sich hier fast 1000 Tage auf. Zum Ende des Krieges wurden die Anlage von der Wehrmacht gesprengt. 4 Tonnen Sprengstoff wurden benötigt um einen Bunker zu sprengen.

Das Gelände ist riesig. Unser „Führer“ sagte, man kann hier locker zwei Wochen verbringen bis man alle Bunker auf dem Gelände gesehen hat.

Das Gelände Wolfsschanze umfasst ca. 700 Gebäude. Herr Przewodnik ist Historiker und hat uns an seinem fundiertes Wissen über das gesamte Kriegsgeschehen teilhaben lassen. Ich war aber nicht wirklich bei der Sache. Zum einen begreift man diesen Wahnsinn nicht wirklich, zum anderen hatte der Mann eine Stimme, die mich sehr an Master Yoda aus den Star Wars Filmen erinnerte. Diese Geschichten gefallen mir weitaus besser. Nach der Führung zieht uns der Duft von gebratenem Fleisch aus der dunklen Vergangenheit in die wärmende Gegenwart und an Matthias Lagerfeuer zurück.

Auf dem Grill brutzeln lange Spieße mit leckerem Fleisch, Anna hat tollen Salat gemacht. So sitzen wir wieder zusammen am Feuer, essen und trinken und lassen die ganzen Bunker und ihre unheilvolle Geschichte hinter uns.

Am nächsten Tag fahren wir in das ca. 50 km entfernte Nikolaiken.

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