Die Insel Rügen kann auf eine bewegte Geschichte zurückblicken. Wahrscheinlich waren Rentierjäger die ersten Bewohner Rügens. Im 7. Jahrhundert besiedelten die slawischen Ranen die Insel. Sie verbreiteten im Ostseeraum Angst und Schrecken und galten wegen ihrer blitzartigen Überfälle als gefürchtete Seeräuber. Damit waren sie dem nahen Königreich Dänemark ein Dorn im Auge. Mit dem Sieg der Dänen über die Ranen in der Schlacht von Arkora 1168, stand Rügen unter dänischer Lehnsherrschaft. Danach kamen die Schweden. Es gab weitere wechselnde Herrschaftsverhältnisse bis Rügen im Rahmen der Neuordnung im Jahr 1815 an das Königreich Preußen ging. Es sollte dann schließlich noch einige Jahrzehnte dauern, bis wir endlich auf die Insel kamen. ;-))
Und wir finden eine spannende Insel vor, die jetzt ganz unterschiedliche Schwerpunkte vorzuweisen hat. Vom Nordosten der Insel, aus dem kleinsten Nationalpark, Jasmund, fahren wir an der Ostküste entlang Richtung Süden und kommen nach Prora. Von diesem monumentalen Bau, entstanden aus Hitler`s Größenwahn, hatte ich schon einiges gehört. Aber wenn man dann tatsächlich vor Ort ist, ist man geplättet und kann es nicht glauben. So blicke ich mit offenem Mund auf diesen Gigantismus. Viereinhalb Kilometer misst das längste Bauwerk der Nationalsozialisten. Hier legt die NS-Organisation >Kraft durch Freude< (KdF) am 2. Mai 1936 den Grundstein für die Ferienanlage in Prora, die aus acht aneinandergereihten baugleichen Häuserblocks besteht. Ich hab mir zwei Internetbilder „ausgeliehen“, mein Objektiv hat das nur in Stücken geschafft.;-))
Diese Anlage dokumentiert eindrucksvoll den Größenwahn der Hitler-Zeit. Der Gesamtentwurf wird auf der Weltausstellung in Paris 1937 sogar mit dem Grand Prix ausgezeichnet. In Prora sollte sich der deutsche Arbeiter zu günstigen Preisen erholen und neue Kraft tanken. Jeder sollte auch Meerblick haben! Der „Koloss von Rügen“ nur 150 Meter vom Strand entfernt, ist für 20.000 Menschen konzipiert. Der zweite Weltkrieg verhindert allerdings eine Nutzung Proras als Ferienanlage. 1945 sprengt die Rote Armee Teile des Nordflügels, die so schwer beschädigt wurden, dass daraufhin „nur“ 2,5 Kilometer Gebäude noch nutzbar sind.
Jahrelang verfiel die Kraft-durch-Freude-Anlage. Heute ist Prora eine gigantische Baustelle. Es entsteht ein völlig neuer Ferienort. Teile der einzelnen Blocks sind schon hochpreisig renoviert. Es wechseln sich Eigentumswohnungen, die überwiegend bewohnt sind, mit Ferienappartements ab.
Auch gibt es in Block II die wohl größte Jugendherberge Deutschlands. Einen großen neuen Wohnmobilstellplatz haben sie ebenfalls in der Nähe gebaut. Wer wohl da der Ideengeber war?!
Jetzt im Oktober ist nicht mehr soviel los auf den vielen Parkplätzen. Wir stellen unser Womo ab und laufen 2 km an der Anlage entlang. Anfangs spüre ich aufgrund der Vorgeschichte eine große Ablehnung. Ich frage mich, wie man so verrückt sein kann um sich hier einzukaufen oder Urlaub zu verbringen. An so einem Ort. NEIN! Aber,— die direkte Nähe zu dem wunderschönen endlos langen Sandstrand, das Rauschen der Ostsee, die unendliche Ruhe, diese neuen modernen Fassaden und Einrichtungen, die großzügigen integrierten Schwimmbäder die üppige Bepflanzung, lassen mich später anders denken. Hier ist klar ein neuer zukunftsweisender Geist eingezogen.
Wir fahren weiter, denn die Insel hat noch einiges zu bieten. Auf in die Seebäder Binz und Sellin mit ihren prachtvollen Villen, wiederentstanden im leuchtenden weiß der Bäderarchitektur. Wir kommen zuerst nach Binz. Hier gefällt mir die lange Strandpromenade, die auch als Verlängerung des Ku’damms gilt, sehr gut. Es ist heute nicht viel los auf der schmalen Uferstraße. Links der breite Strand, rechts die Geschäfte und Boutiquen. Alle führenden Mode-Labels sind hier vertreten.
Das prächtige Binzer Kurhaus erstrahlt seit einigen Jahren als Luxushotel in neuem Glanz und rundet das Bild ab. Binz gilt heute als der eleganteste Ort auf der Insel. Wir gehen auf die 370 Meter lange Seebrücke. Toll ist das, einfach trockenen Fußes auf die Ostsee raus zu gehen. Ich muss sagen, ich habe schon seit Usedom ein Faible für diese Seebrücken entwickelt und treibe damit Dieter etwas in den Wahnsinn. ;-))
Das Ostseebad Sellin liegt etwas eingezwängt zwischen Selliner See, dem Granitzer Wald und dem Hochufer zur Ostsee. Hier soll durch diese Konstellation ein gesundes, sauerstoffreiches Reizklima herrschen, hatte ich gelesen. Genau das Richtige für meine Bronchien. Das Ganze wirkt ganz schön eng mit dem Wasser auf beiden Seiten!
Zum Strand und auf die lange Seebrücke gelangt man über die sog. Himmelsleiter. 89 Holzstufen führen hinab, es gibt „natürlich“ auch einen Lift. Der Spaziergang auf die Seebrücke ist wieder mal der Hit.
Die Tauchglocke am Ende der Seebrücke erregt Dieters Aufmerksamkeit. Nur so kriege ich ihn überhaupt auf den Steg. Die Tauchglocke ist in Betrieb und zeigt den mitfahrenden Menschen das Leben unter Wasser. Wer´s mag.
Ach, es gibt ja noch so viel zu sehen. Wir machen noch einen kurzen Abstecher ganz runter in den Süden nach Klein-Zicker auf die Halbinsel Mönchsgut. Hier ist Natur pur, eine Ruhe und eine Atmosphäre, wie wir sie von Bodensee, von der Insel Reichenau kennen. Herbstlich, dunstig mit dem Geruch nach Erde und heruntergefallenen Äpfeln. Wir schauen uns den kleinen, zwar etwas rumpeligen aber ganz urigen Wohnmobilstellplatz an. Er liegt direkt hinter dem Deich. In fünf Minuten wäre wir am FKK-Strand. Jetzt im Oktober ist das nix mehr. Es gefällt uns gut dort. Für den nächsten Besuch ist er notiert, der Platz in Klein-Zicker.
Beim Frühstück war uns die Marmelade ausgegangen. Da wir mittlerweile süchtig nach „Karl´s“ Himbeermarmelade sind, fahren wir noch schnell nach Zirkow zu einem weiteren „Bauernmarkt-Erlebnisdorf“. Dieter spricht dort mit dem Geschäftsführer, der uns aus dem Wohnmobil hat kommen sehen. Dieser erwähnt das gute Frühstück und das wir auch auf ihrem Grundstück kostenlos übernachten können. Mehr noch! Sie begrüßen sogar wenn Wohnmobile über Nacht bleiben. Das machen wir dann auch, zumal wir ungestört, direkt am Waldrand, stehen können!
Das erinnerte uns sofort an unsere Amerika-Reise. Dort gab es im Osten der USA auch eine >Old-Country-Store< Restaurantkette „Cracker-Barrel“, die Wohnmobilsten willkommen heißen.
Am nächsten Tag gilt es Abschied zu nehmen von Rügen. Danke Karlsdorf für die ruhige Nacht auf eurem Parkplatz! Es ist ein herrlicher sonniger klare Morgen. In der Nähe von Zirkow und Binz liegt das Jagdschloss Granitz mitten im schon genannten riesigen Granitzer Wald. Wir machen unseren Morning-Walk dort hinauf. Unser Womo wird derweil „bewacht“ von einer hilfsbereiten Anwohnerin, die uns quasi ihren „Vorgarten“ als Parkplatz zur Verfügung stellt.
Vorher hatte sie uns beobachtet und uns dann einen Vortrag gehalten, dass wir da, wo wir eigentlich parken wollten, nicht stehen dürfen. „Da ist Wasserschutzgebiet, da kommt immer jemand vom Amt vorbei und verhängt Strafzettel“ erklärt sie uns. Und ich denke beim zuhören –oh je, jetzt fängt das schon wieder an.– :-(( Aber alles wurde gut und wir können uns getrost auf den 110 m hohen Berg begeben. Ein wunderschön renoviertes Jagdschloss erwartet uns. Wir waren die ersten Gäste! Graf Malte konnte uns leider nicht empfangen, er ist nämlich schon seit 1774 tot.
Unterwegs begegnen wir noch dem „Rasenden Roland“. So wird hier die älteste Schmalspurbahn Deutschlands humorvoll von den Einheimischen genannt. Sie ist nicht nur ein rollendes Museum, sondern fester Bestandteil im Nahverkehrsnetz der Insel.
Über die >Deutsche Allenstraße>, die in Sellin beginnt und ca. 2000 Kilometer später am Bodensee, auf der Insel Reichenau, endet, verlassen wir die Insel Rügen mit dem Versprechen wiederzukommen. Cool! Das Ende der Deutschen-Alleenstraße kennen wir schon lange ohne es zu wissen. Und jetzt kennen wir auch den Anfang!
Der Oktober geht zu Ende und damit auch langsam unsere Reise. Aber auf´n Darß müssen wir aber noch. Mein Fahrer ist ziemlich unwillig als er hört, dass ich unbedingt noch in Zingst auf die Seebrücke will, aber mir zuliebe fährt er ja überall hin! :-))
Zwischen den Hansestädten Rostock und Stralsund liegt die Halbinselkette Fischland-Darß-Zingst. Ursprünglich waren das drei eigenständige Inseln; über die Jahrhunderte wuchsen sie zusammen. Für uns praktisch, jetzt können wir uns im >Nationalpark Vorpommersche- Boddenlandschaft< in Ruhe von der Ostsee verabschieden.
Mir gehen langsam die Attribute aus und ich wiederhole mich, aber auch dieser endlose Sandstrand und die liebliche Landschaft auf dem Darß hat mich zutiefst berührt. Auch Ende Oktober ist hier noch richtig viel los. Zingst ist natürlich ein sehr touristischer Ort, aber allein schon wenn man die Seebrücke betritt, ist alles gut. Auch hier gibt es eine Tauchglocke.
Man sieht Strand, Strand so lange das Auge reicht. Wenn das Wetter auch noch passen würde, bräuchte man im Urlaub nicht auf die Kanaren oder in die Karibik zu fliegen. Wir machen auch noch Halt in Prerow und besuchen die alte Seemannskirche. Sie ist die älteste Kirche auf dem Darß und der Turm diente den Seefahrern als Orientierung. Es gibt von dort einen 10 km langen Rundweg durch das Naturschutzgebiet bis raus zum Leuchtturm. Den gehen wir beim nächsten Mal. Hab ich dem Pfarrer versprochen, der uns davon erzählte.
Wir übernachten im Rostocker Außenhafen direkt an der Warnow, die in Warnemünde in die Ostsee mündet. Daher auch der Ortsname. Ein romantischer kostenloser Parkplatz. Hier stehen Womos aus Schweden und Dänemark. Sie fahren am nächsten Tag mit einer der Überseefähren weiter in die Heimat. Wir erleben den ersten Bodenfrost in diesem Jahr. Alles voll mit Raureif am Morgen.. sieht toll aus!
Und wir besuchen noch die alte Hansestadt Rostock und lassen uns bei herrlichem Sonnenschein durch die alten Straßen treiben. Das Wahrzeichen der Stadt, das Kröpliner Tor ist schon sehr eindrucksvoll!
Im Touristbüro erfahre ich durch Zufall, dass hier in Mecklenburg Vorpommern und überall in den überwiegend protestantischen Bundesländern, am morgigen Donnerstag dem Reformationstag, ein Feiertag ist. Ich hatte zwar im Radio den Moderator das auch schon mal sagen hören, dachte aber, dass er sich eventuell versprochen hat und den Freitag, also „unser“ Allerheiligen mit Feiertag meinte. Wir hatten beide nicht verinnerlicht, dass seit dem letzten Jahr, der Reformationstag eben für diese Gegenden ein Feiertag ist. Also wird nichts aus unseren Plänen, nach so viel Natur nochmal in eine Großstadt einzutauchen. Wir wollten eigentlich noch nach Hamburg. An den Landungsbrücken stehen, durch die Einkaufspassagen bummeln und ggf. ins Musical gehen. Aber am Feiertag—-sind die Geschäfte zu und das Musical ausgebucht! Na gut, dann kommen wir auch hier halt ein anderes Mal wieder hin. Und >TINA< wird hoffentlich auf mich warten. Also schnell einkaufen, denn vor uns liegen jetzt zwei Feiertage. Wir überqueren ja auch bald die Grenze zu Nordrhein-Westfalen. So tingeln wir durch Niedersachsen langsam Richtung Rhein, übernachten ein letztes Mal. Wieder an einem Fluß, an der Ruhr.
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Unser Fazit am letzten Abend fällt überwiegend positiv aus. Die Küstengebiete Deutschlands mit ihren Inseln haben genug zu bieten für mehrere Reisen. Die Leute hier nehmen das Wetter wie es kommt. Sie sagen: >Nirgends strahlt der Himmel so schön grau als bei uns, und Sturm ist erst, wenn die Schafe keine Locken mehr haben<. Das merke ich mir, wenn ich zuhause mal das Wetter vorschiebe um nicht raus zu müssen. ;-))
Wir stellen fest, und dass habe ich auch schon öfter erwähnt, dass es mittlerweile viele kleine kostenlose Gemeindestellplätze oder Parkplätze gibt, auf denen man für die Durchreise gut aufgehoben ist. Unserer Art des Reisens, tagsüber besichtigen, vor dem Dunkelwerden irgendwo ankommen, übernachten und am nächsten Tag weiterfahren, kommen diese Plätze sehr gelegen. Natürlich auch unserer Reisekasse. Insbesondere in Niedersachsen gibt es ein engmaschiges Netz. Die App „Campercontact (CC) ist da äußerst hilfreich. Auch zum Thema „Zwischenmenschliches“ haben wir doch noch ein gutes Gefühl entwickelt was ich mal so ausdrücken will: Die Ossis und die Rheinländer, zwei Welten prallen aufeinander. Es war manchmal schwierig, ein Lächeln hilft auch nicht immer, aber es wird schon noch! „Am Ende wird immer alles gut“, sagt mein Lieblingsmensch.
Jetzt freuen wir uns auf die vor uns liegende Adventszeit. Auf die vielen Weihnachtsmarktbesuche in Köln und Umgebung. Auf Weihnachten mit der Familie, auf einen schönen Jahresausklang mit leckeren Getränken und netten Menschen!
Das Jahr 2020 können wir kaum erwarten, geht es doch in der zweiten Jahreshälfte auf das große Abenteuer nach Südafrika! Mir läuft während ich das schreibe schon ein Schauer der Erwartung über den Rücken! Ich freue mich schon sehr darüber zu schreiben. Vorher melde ich mich aber noch aus dem Schnee der deutschen und italienischen Alpen!