Um schneller in dem Weinrevier des Médoc zu sein, nutzen wir auf unserem weiteren Weg nach Süden, die Fähre von Royan nach Soulac-sur Mer über die gigantische Flussmündung der Gironde. Mein Fahrer regt sich allerdings über den hohen Fährpreis auf. „49 Euro für die kurze Fahrt“ wettert er, „dafür wollte ich eigentlich lieber Wein kaufen“. Na, ja die Umfahrung wäre mindestens 180 km lang gewesen…
Wein gekauft haben wir trotzdem, uns aber vorher im „Maison du Tourisme et du Vin“ in Pauillac einen Überblick verschafft. Denn das alte Städtchen am Ufer der Gironde gelegen, ist die Weinhauptstadt des Médoc. Es verdankt sein Renommee vor allem den berühmten Schlössern, die sich nördlich des Ortes zwischen üppigen Rebgärten aufreihen. Die Châteaux Lafite Rothschild und Mouton Rothschild sind sicherlich die bekanntesten.
Aus ca. 200 Weingütern des Médoc lagern hier Weine. Im Verkaufsraum sind die Flaschen ausgestellt.
Wir erhalten eine Übersichtskarte mit Informationen über die Weingüter und machen uns auf Entdeckungsreise. Die renommierten Châteaux kann man nicht einfach so besuchen, man muss angemeldet sein, erläutert uns die nette Chefin des Tourismusbüros.
Das ist auch nicht unser Ziel als wir hierherfahren, wir suchen lieber den Eigentümer geführten Familienbetrieb. Schnell stellen wir fest, dass niemand für uns Zeit hat, die Weinlese ist bei schönstem Wetter in vollem Gange.
Überall fahren die vollautomatischen Erntewagen durch die Reihen. In manchen Weinbergen wird auch von Hand gelesen und auf einem Wagen gleich selektiert. Wenn wir anhalten um Fotos zu machen, winken die Leute uns fröhlich zu. Es liegt dieser bestimmte Geruch nach Trauben und Trester in der Luft, den ich so gut aus meiner Kindheit kenne. Ich habe gleich Gänsehaut und hätte am liebsten mit geerntet.
Was uns insbesondere aufgefallen ist, sind die niedrigen Weinstöcke und überhaupt keine Hügel oder höhere Lagen. Alles flach, wie in der Pfalz. In meiner Heimat an der Mosel wächst der Riesling in derartigen Steillagen, dass wir als Kinder an die Weinstöcke gebunden wurden, damit wir bei der Ernte nicht den Abhang runterkullerten. Schauen wir uns jetzt einmal an, warum diese Gegend so bekannt ist und vor allem meistens hochpreisige Weine hervorbringt.
Die Halbinsel des Médoc erstreckt sich wie ein Zeigefinger nördlich von Bordeaux in Richtung Atlantik. Und hier im westlichen Teil der Weinregion wachsen die prominentesten aller Bordeaux Reben. Die sanft gewellte Landschaft zwischen Gironde und Atlantik bietet in Verbindung von Kiesböden mit feuchtwarmem Klima beste Voraussetzungen für den Weinanbau. In der Winzergenossenschaft in Paulliac erfuhren wir außerdem, dass sich hier 25 Winzer zusammengetan haben und gemeinsam vier verschiedene Weinsorten anbieten, die die gleiche Qualität haben wie die der großen Weingüter. Die Rotweine sind lange lagerbar und sollen eigentlich erst nach 8 Jahren, nachdem sie Ihre Trinkreife erreicht haben, getrunken werden. Na ja, so lange können wir ja nicht warten.
Wir haben nach einer kleinen Weinprobe an der Theke entschieden, verschiedene Jahrgänge zu kaufen, darunter auch die, die schon am Abend trinkreif wären. :-)) Die Preise in der Kooperative „Rose de Paulliac“ lassen sich mit unserer Reisekasse vereinbaren.
Weinselig schlafen wir an der „Route de Vin de Médoc“ in Saint-Laurent-Médoc. Mitten in dem netten Ort hat die Gemeinde für Womobilisten einen kostenlosen Stellplatz in einem kleinen Park zur Verfügung gestellt.
Bei der Weiterfahrt kommen wir durch viele solcher kleinen Orte. Die Ortsmitte bildet die Kirche mit ihrem hohen spitzen Turm, daneben ist die Mairie (Bürgermeister), der Metzger und der Bäcker.
Morgens ein frisches Baquette mit Käse, s‘il vous plaît! So beginnt der Tag gut. Ausgeprägte Rad-und Wanderwege sind überall ausgewiesen. Vor allem die breiten Fahrradwege fallen ins Auge. Das merken wir uns für eine spätere Reise.
Jetzt aber auf an die Côte d‘ Argent, die berühmte Silberküste, auf die die Franzosen mit Recht stolz sein können. Heller Sandstrand, so weit das Auge reicht: Die 200 km lange Küste erstreckt sich von der Girondemündung bis zum Baskenland. Sie ist gesäumt von Dünen und Kiefernwald, in dem sich Süßwasserseen wie Perlen an einer Schnur reihen. Die breiten Strände werden von Urlaubern aus aller Welt geschätzt, so lesen wir auf allen Reklametafeln. Der Ort Lacanau ist ein Mekka für Wellenreiter, dementsprechend touristisch ist es dort.
Zum wiederholten Mal freuen wir uns, dass wir in der Nachsaison unterwegs sind. Am Südstrand des Ortes ergattern wir für unser Womo einen schönen Parkplatz direkt am Strandaufgang.
Wir erleben einen magischen Sonnenuntergang und übernachten einfach da wo wir stehen, wie auch 2-3 andere, die hier zum Wellenreiten sind. In dem nächsten Orten an dieser Traumküste Carcan‘s Plage, geht es ruhig zu. Die Höhenbegrenzungen sind überall geöffnet, die Preise sind um die Hälfte gesunken. Manche Läden haben ganz zu. Aber uns stört das nicht, wir sind ja Selbstversorger. Dafür kann man fast überall an den Strand ohne Gedränge und findet schöne ruhige Übernachtungsplätze. Das Leben hat dort jetzt im Herbst einen Gang zurück geschaltet. Wunderbar!
Zum Abschluss fahren wir noch zu einem letzten Höhepunkt an der Küste an das „Bassin d‘ Archachon“. Das Becken von Archachon ist eine große Bucht im Südwesten des Landes. Auch hier wird Austernzucht betrieben und die Stadt entwickelte sich vom Fischerdorf zum Kur-und Ferienort betuchter Franzosen. Die Stadt ist heute nicht unser Ziel. Wir wollen zur größten Attraktion der Region, zur „Dune de Pilat“.
Sie ist mit 110 m die höchste Sanddüne Europas und erstreckt sich wie ein Wall zwischen Meer und Kiefernwald. Des weiteren ist sie 2,9 km lang und 600 m breit. Jedes Jahr bewegt sich die Wanderdüne ca. 5 m landeinwärts. Heute, am Samstag, sind mit uns viele Menschen unterwegs, die sich dieses Wunderwerk der Natur anschauen wollten. Der Auf- und Abstieg ist nicht ohne.
Von oben gibt es herrliche Ausblicke. Auch wenn das Wetter nicht ganz so gut war, haben wir es genossen.
Im Moment stehen wir in dem bekannten Thermalbadeort Cambo les-Bains im Baskenland. Für einen etwas längeren Zeitraum haben wir von der Atlantikküste Abschied genommen. Wir beschließen den Jakobsweg zu pilgern? — Nein, zu fahren— sozusagen als „Pneu-Pilger“. Santiago de Compostela und C. Fisterra am Atlantik sind eh Ziele auf unserer Route, warum dann nicht auf dem Camino!? Also dann. Bon Voyage!