Camino de Santiago: Teil 2

Von Burgos nach Santiago de Compostela

Die 175.000 Einwohnerstadt Burgos bietet für uns ihr schönstes Wetter auf. Das ist nicht selbstverständlich für diese Stadt, sie hat den Ruf das ungemütlichste Wetter in ganz Spanien zu haben. Wir haben also Glück, das kommt bestimmt vom vielen Beten auf dem Jakobsweg. :-))  Burgos hat aber noch etwas zu bieten, worauf andere Städte nur neidvoll schauen können: eines der schönsten Gotteshäuser Spaniens mindestens aber die eindrucksvollste Kathedrale am nordspanischen Jakobsweg.

 

 

Wir freuen uns auf die Besichtigung und meine Frau freut sich auf die spanischen Geschäfte in der Fußgängerzone rund um die gotische Kathedrale. Wir laufen vom Stellplatz immer am Fluß lang auf dem Pilgerweg zu Fuß in die Stadt und Renate wundert sich, warum die Geschäfte noch nicht geöffnet sind. Vielleicht sind hier ja spätere Öffnungszeiten, die Spanier leben ja erst abends so richtig auf, tröstet sie sich. Später in der Innenstadt das gleiche Bild. Jetzt muss sie doch mal Google fragen, warum an einem sonnigen Freitagvormittag noch alle Geschäfte geschlossen sind und erfährt dass eben genau an diesem Freitag dem 12. Oktober der spanische Nationalfeiertag ist.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Jetzt wird auch klar warum der große Stellplatz so übervoll war. Die Spanier haben ein langes Wochenende und sind selber in ihren wunderbaren alten Städten unterwegs. Na, ja, ein Gutes hat das Ganze, unsere Reisekasse freut sich. Vorbei an geschlossenen Modeläden, erklimmen wir die Festungsruine, von der aus man einen wunderbaren Rundumblick auf die Stadt und ihren Mittelpunkt, die Kathedrale Santa María, hat. Sie ist von der UNESCO zum Weltkulturerbe erklärt worden. In ihr begraben ist der im 11 Jh. lebende spanische Nationalheld El Cid. An die Heldenfilme über ihn können wir uns noch gut erinnern.

 

 

Wir verlassen die schöne gepflegte Stadt am Fluss und fahren weiter auf der N 120 zum nächsten Höhepunkt am Jakobsweg nach Castrojeriz. 

 

 

 

 

 

Das Dorf ist seit vielen Jahrhunderten eine Station auf dem Jakobsweg mit zahlreichen Pilgerherbergen und mehreren Kirchen aus dem 12.-14. Jh. Es liegt an einem Tafelberg, auf dem eine mittelalterliche Burgruine thront.

 

Dorthinauf wollten wir; es war nur die Frage wie, zu Fuß oder mit dem Womo. Wozu haben wir Allrad, wollen wir doch mal testen was „Dirty Harry“ wirklich kann. Gesagt getan, es ging steil und eng bergauf, Renate hat gebetet und ich bin gut die kurvenreiche, steile Schotterstrecke hoch gekommen. Von oben gab es einen wunderbaren Rundblick. Es hat sich gelohnt und ein Übernachtungsplatz war auch gefunden.

 

 

 

 

Wunderbar ausgeschlafen „erschrecken“ wir am nächsten Morgen die ersten Pilger, als wir mit dem Womo den Berg runterkommen. Weiter gehts nach Fromista, eine doch ziemlich touristische Kleinstadt, die aber eine der schönsten Gotteshäuser am gesamten Jakobsweg haben soll. Die romanische Kirche San Martín. Sie erstrahlt für uns im schönsten Abendsonnenschein.

 

 

 

 

Da wir unterwegs immer da wo es geht, einige Kilometer auf dem Jakobsweg laufen, will Renate auch die entsprechenden Nachweise in unsere Pilgerpässe bringen und geht in die Kirche. Dort liegen die Pilger-Stempel aus. Man bedient sich selber. Ist schon witzig, nochmal mit Stempel und Stempelkissen zu hantieren in Zeiten wo man nur noch mit Handy und „Fingerprint“ arbeitet.

 

 

 

Wir übernachten dieses Mal in Carríon de los Condos, einem kleinen Dorf am Jakobsweg, ganz idyllisch auf dem Gemeindeplatz am Fluss, umgeben von Fischreihern und Enten. Hier ist die Welt noch in Ordnung und auch der Spritpreis erfreut des „Pneu-Pilgers“ Herz. 1,16 Euro für den Liter Diesel ist der günstigste Tarif der bisherigen Reise.

 

 

Weiter gehts in die 80 km entfernt liegende Königstadt León. Hierzu gönnen wir uns die gebührenfreie Autobahn, da auf diesem langen Teilstück das typisch kastilische, monoton wirkende Meseta- Flachland nicht abreißt. Es gibt keine bedeutende Sehenswürdigkeit, der Jakobsweg verläuft schnörkellos in die Weite, von Baum zu Baum – und Pilger finden vielleicht hier die innere Einkehr, die sie erwartet hatten.

 

 

 

Wir jedenfalls meditieren auf der menschenleeren Asphaltpiste so vor uns hin.— Kurz vor Leon „erwachen“ wir wieder, gibt es doch ein wunderbares Kirchlein zu besichtigen, für dass sich ein 30 km Umweg lohnt. Wir besuchen „San Miguel de la Escalada“ eine der schönsten mozarabischen Kirchen Spaniens. Mozaraber, das waren die unter muslimischer Herrschaft lebenden Christen.

 

 

Besonders signifikant an diese Kirche sind die Hufeisenbögen mit ihrem recht kleinen Radius. Brauntöne dominieren den Blick die Kirche passt sich der Umgebung an.

 

 

 

 

 

 

León ist eine tolle und spannende Stadt. Allerdings nicht auf den ersten Blick, wir fahren durch endlose Wohnblockkulissen und Industriegebiete. Hinter diesen Gürteln verbirgt sich eine gemütliche und quirlige Stadt mit hochinteressanten Bauwerken, wie die gotische Kathedrale Santa María de la Regla und weitere Kirchen und das zum Hotel umfunktionierte Kloster San Marcos.

 

 

 

 

 

 

Allerdings gibt es auch einen ausgeprägten Altstadtbereich mit vielen Tapas-Kneipen. Das ganze Viertel trägt den bezeichnenden Namen Barrio Húmedo (Feuchtes- Viertel). Mittelpunkt ist die „Plaza de San Martin“. Schönster Sonnenschein begleitet uns auch hier wieder auf unserem Walk durch die Stadt. Wir parken in der Nähe des übervollen kostenlosen Stellplatzes und orientieren uns an der Muschel auf dem Boden. Sie führt uns zu den wichtigen sakralen Bauwerken. Renate kann ja nicht genug davon bekommen und freut sich schon von weitem, wenn sie einen Kirchturm sieht. Ich freue mich, dass die in der Tat eindrucksvolle Kathedrale, die zwei unterschiedlich hohe Türme aufweist, geschlossen ist und wir mehr Zeit in dem besagten Viertel verbringen können. ;-)) 

 

 

 

Zwischen León und unserem nächsten Ziel Astorga liegen knapp 50 landschaftlich monotone und weitgehend flache Kilometer. Der Pilgerpfad verläuft oft sehr nah oder gar parallel an dieser N-120. Auch auf dieser Strecke, glaube ich, muss man dieses „Pilgern auf dem Camino“ schon sehr wollen.

 

 

Wir wollen nur ankommen und den vorher ausgesuchten Stellplatz an der Stierkampfarena in Astorga beziehen und uns auf etwas völlig irdisches zu freuen- das Spiel der deutschen Nationalmannschaft in der Nations-League gegen Holland.

„Ich hätte doch in León mehr Kerzen anzünden sollen“ sagte meine Frau nach dem Spiel.

Der Stararchitekt Antoni Gaudí entwarf den Bischofspalast in Astorga. Erbaut ab 1889, sieht er mit Türmchen, Giebeln und Verzierungen aus wie ein Märchenschloss. Da dieses Design missfiel, hat kein einziger Bischof des Gebäude je bewohnt.

 

 

Auch die direkt neben dem, jetzt als Museum genutzten Gaudi-Palast, liegende Kathedrale ist für eine Stadt dieser Größe äußerst pompös ausgefallen.

 

 

 

 

Astroga präsentiert sich als eine angenehme Stadt. Neben den schon erwähnten Gebäuden gibt es hier ein Schokoladenmuseum, das an Astrogas Industrien aus dem 18 Jh. erinnert. Astorga wird auch als alte Schokoladenstadt bezeichnet und pflegt weiter diese Tradition. Überall werden die bekannten Schmalzplätzchen (Mantecadas) angeboten. Da konnte meine Frau natürlich nicht dran vorbeigehen.

 

 

In den Grünanlagen vor den Kirchen war ein mittelalterliches Heerlager aufgebaut. Richtig passend zu der trutzigen Stadtmauer.

 

 

 

Spanien gegen England— wir konnten nicht ermitteln um welche historische Schlacht es dort ging. Bewundernswert die alten Uniformen und das echt wirkende Lagerleben.

 

Szenenwechsel auf dem weiteren Jakobsweg. Es ging nach Castrillo de los Polvazares in ein historisches Steindorf. Ein breiter und langerstreckter Pflasterweg führt quer durch das Dorf, man fühlt sich tatsächlich in die Steinzeit zurückversetzt.

 

 

 

Rabanal des Camino ist ein weiteres Stein-und Pilgerdorf. Auf 1150 m Höhe gelegen, machten schon im Mittelalter die Pilger in der alten klobigen Steinkirche Halt und tankten Kräfte vor dem beschwerlichen  Aufstieg auf den Pass mit dem Eisenkreuz.

 

 

Höhepunkt für alle Pilger, aber auch für uns ist die Landschaft um das Eisenkreuz -Cruz de Hierro-. Das kleine Kreuz sitzt auf einem mehrere Meter hohem Baumstamm. Der wiederum ragt aus einem gigantischen Steinhaufen.

 

 

Auf diesem legen Jakobspilger gewöhnliche Steine nieder, die aber hier Symbolcharakter haben: als Sünden-oder Sorgensteine. So zieht man befreiter weiter, hat Lasten abgelegt. Manche Pilger beschriften oder bemalen ihren Stein, andere hinterlassen Teile ihres Pilgeroutfits.

 

 

Hier oben steht man auf einer Höhe von 1504 m sozusagen auf dem Dach des Camino de Santiago. Als wir dort ankommen, sehen wir kaum die Hand vor Augen, es sind nebelige und regnerische 7° Grad.

 

 

Das machte aber alles nix, der besondere Ort hat auch uns in seinen Bann gezogen. Hinter dem Eisenkreuz geht es bald wieder bergab durch eine verlassenen Geisterort und dann durch eine herrliche Bergszenerie stetig abwärts wobei sich Pilgerweg und Straße oftmals kreuzen.

 

 

 

 

In El Acebo wartet eine Herausforderung auf die motorisierten Pilger. Enge Straßen und hervorstehende Holzbalkone benötigen die ganze Konzentration des Fahrers.

 

 

Wir sind so erfüllt von den vielen unterschiedlichen Eindrücken, dass wir Ponferrada– die Stadt mit der großen Templerburg- links  liegen lassen und uns stattdessen auf einem Campingplatz in der Nähe etwas regenerieren und Platz im Kopf schaffen wollen, bevor wir nach Santiago de Compostela einfahren. Als das Navi verkündet: „Sie sind an ihrem Ziel angekommen“, breitet sich vor uns nur eine große grüne Wiese mit vielen Walnussbäumen aus. Von dem beschriebenen Campingplatz weit und breit nichts zu sehen. Wer uns wohl dort hingeschickt hat….. Wir sind einfach geblieben und haben eine himmlische Nacht verbracht.

Villafranca del Bierzo ist ein sehenswerter Ort bevor es für die Pilger zu einer letzten Bergüberquerung geht. Wir wundern uns später auf der Höhe nicht mehr über die vielen Pilger, die hier an der Bushaltestelle stehen. ;-))

 

 

 

O Cebreiro, das winzige Steindorf, wird auf einem engen Sträßchen in 1300 m Höher erreicht. Ein kleines Pilgermonument zeigt uns am Kreisverkehr wo es hochgeht.

 

 

Nebel und eisiger Wind und der mysthische Ort lassen dich an Mittelerde aus dem Film -Herr der Ringe- denken.

 

 

 

 

 

 

Bei 5° Außentemperatur kommen hier die Mountainbiker den Pass hochgekeucht.

 

 

Zwei Mädels unterhalten sich mit Renate in der kleinen Kirche. Das Adrenalin und der Gedanke auf diesem „besonderen“ Weg zu sein, lassen sie alle Strapazen vergessen. Ich kann es kaum glauben, bin ich Warmduscher doch an dieser Stelle noch nicht mal aus dem Womo ausgestiegen!

 

 

Wir kommen nach Sarria. Die Stadt ist nicht wirklich attraktiv und für die Pilger nur deshalb bedeutsam, weil sie sich hier auf die verbleibenden 110 Wanderkilometer bis Santiago machen, denn sie wissen: Wer mindestens die letzten 100 km marschiert, bekommt dort die „Compostela- Urkunde“. Samos beeindruckt uns mit seinem monumentalen Kloster.

 

 

 

Wir machen noch einen letzten Stopp in Portomarín. Hier gibt es ein wirkliches Naturwunder. Der Blickfang vor dem Ort ist der Belesar-See, der den Fluß aufstaut. Eine lange, hoch aufragende Brücke, über die auch die Pilger gehen, führt hinüber auf Portomarín zu. Bei niedrigem Wasserstand ragen aus der Talsperre die steinernen Überreste aus Alt-Portomarín hervor, das bei der Anlage des Stausees geflutet wurde.

 

 

 

 

 

Kaum zu glauben aber wahr: Selbst die mittelalterliche Brücke von Portomarín hat sich erhalten und taucht neben den Häuserresten auf. Wir stehen mit dem Womo längere Zeit unter dem letzten Brückenbogen um dieses Wunder der Natur wirken zu lassen. 

 

Santiago de Compostela -Kulturerbe- der Menschheit und Ziel aller Pilger erwartet uns mit blauem Himmel. Wir finden den kostenlosen Stellplatz an einem Sportzentrum und machen uns auf den Weg in die am Hang liegende Stadt.

 

Wir kommen von Osten über das große Klostergelände gehen den Pilgerweg hinab, um am anderen Ende wieder hochzusteigen und finden uns inmitten des interessanten Wochenmarktes mit Hallen und Freiluftständen wieder.

 

Wir blicken zurück und sehen hinauf auf den Monte do Gozo, den „Berg der Freude“. Hier sanken die Wallfahrer einst in die Knie als sie zum ersten Mal die Spitzen der Türme der Kathedrale sahen, in dem sich das Ziel aller Wünsche befindet, das Grab des Apostel Jakobus.

 

Wir kommen auf den Plaza do Obradoiro, den Kathedralenvorplatz und überall liegen sich die Pilger in den Armen. Manche werfen vor Freude es geschafft zu haben, ihre Rucksäcke in die Luft, es herrscht eine ausgelassene Stimmung. Auch wir stehen hier und freuen uns es geschafft zu haben. Auch wenn wir meistens gefahren sind, war es an vielen Stellen anstrengend, abenteuerlich, spannend und mystisch zugleich.

 

 

 

Man hat irgendwie tausend Gedanken im Kopf. Wahrscheinlich ist auch deshalb dieser Bericht so ausführlich geworden. Die Frage, die wir uns unterwegs immer wieder stellten und die uns auch vor der Kathedrale bewegt, ob man diesen Jakobsweg gehen müsste oder nicht, beantwortet sich für uns so: Man kann, muss aber nicht! 

Als wir in die Kirche gehen, ist gerade eine Messe im Gange. Genau richtig, um zu sehen, wie fünf Mönche das an einer Seilwinde hängende große Weihrauchfass durch die Kathedrale schleudern. Dieser Botafumeiro ist 1,60 m groß und hängt an einem 66 m langen Seil! Ein absoluter Gänsehautmoment und ein krönender Abschluss einer wunderbaren 10 tägigen Reise auf dem Camino de Santiago.

 

 

 

 

 

Aktuell stehen wir in Fisterra auf einem kleinen Stellplatz direkt an der galizischen Küste.

 

 

So ganz lässt uns der Weg noch nicht los. Wir wollen zum Abschluss  zum Leuchtturm, wo früher das „Ende der Welt“ vermutet wurde. Frühere und heutige Pilger kommen auch hierhin , um symbolisch, nach der langen Reise, Teile ihrer Ausrüstung zu verbrennen!

 

 

Abschließend lässt sich auch feststellen, das die Erhebung des „Camino de Santiago“ zum Weltkulturerbe erhebliche EU-Fördermittel in die gesamte Infrastruktur der Regionen gespült hat und nicht nur für motorisierte Reisende  die Orientierung erleichtert. Der „Jakobsweg“ erlebt jedenfalls eine Renaissance, frisch beschildert, Pilgerherbergen wie Wegmarken reihen sich aneinander..

Die Ausrüstung der Pilger schein expeditionstauglich, wasserfeste Schuhe und Jacken, atmungsaktiv, riesige Rucksäcke aus modernen High-Tech-Materialen oder Mountain-Bikes vom Feinsten mit entsprechender Ausrüstung…

Uns hat der Trip durchaus inspiriert und gefallen. Manchmal fühlten wir uns in das Mittelalter versetzt und haben ungläubig gestaunt, was die Menschen in früheren Zeiten des Glaubens Willen gebaut und auf sich genommen haben.

Insgesamt eine gute Erfahrung und trotz spannender Eindrücke Zeit für Besinnung!

2 Kommentare bei „Camino de Santiago: Teil 2“

  1. Servus Ihr beiden,

    toller Bericht wieder, die Mystik des Camino kann man als WoMo-Besatzung nicht besser rüber bringen – Kompliment. Hab selber vor, im „heiligen“ Jahr 2021 die 800 km Strecke zu gehen – wenn die Gesundheit mit macht.
    Viel Spaß weiterhin, auf wieder mehr irdischen Pfaden,
    Toni

    1. Wow, da hast Du aber was vor….wir haben in Santiago gehört, das 200.000 Pilger im heiligen Jahr erwartet werden! Jedenfalls viel Erfolg für diesen außerordentlichen und einmaligen Trip!!!
      LG Renate+Dieter

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