Torre-Coimbra-Batalha-Saò Pedro de Moel-Porto de Mos-Alcobaca-Peniche (250km)
Der kleine Gemeindestellplatz in Arganil, abgelegen von der üblichen Touristenroute, mitten im Grünen und eher von Einheimischen besucht, stimmt uns auf unser nächstes Abenteuer ein. Einen Abstecher auf das Dach Portugals, den Berg Torre. Hinauf auf 1990 m soll es gehen. Mal sehen was uns dort erwartet. Dazu fahren wir in die Serra da Estrela. Das >Sternengebirge< ist mit knapp 2000 m das höchste Massiv des portugiesischen Festlandes. Straßen und Wanderwege winden sich durch das Gebirge mit Wäldern und Bächen bizarren Felsen und weiten Tälern, wo Schafe und Ziegen leben. Bei wenig Verkehr scheinen wir die einzigen Wohnmobilsten zu sein, die aus der Komfortzone der Zivilisation mit ihren ausgebauten Straßen wieder mal Bergziege spielen wollen. Natürlich gibt es mehrere Strecken hinauf auf den Torre, aber „Dirty Harry“ und sein Fahrer suchen sich zwar einen landschaftlich wunderschönen, aber auch engen und steilen Anfahrtsweg aus. Kein Auto begegnet uns, das ist gut. Die Dörfer, durch die wir fahren, kleben wie Nester am Hang und scheinen wie Perlen in der Sonne mit ihren weiß getünchten Fassaden und roten Dächern.
Wir durchqueren aber auch ein Gebiet, welches von den schlimmen Waldbränden im letzten Jahr heimgesucht wurde. Viele Menschen sind, beim Versuch aus den abgelegenen Dörfern mit dem Auto zu flüchten, erstickt oder verbrannt. Eine beklemmende Stimmung, mitten in der Idylle der abgeschiedenen Bergregion. Wir unterhalten uns im Auto, was wir denn in so einer Situation gemacht hätten und hoffen, dass wir nie in eine solche kommen müssen.
Mitten in der Kletterpartie sagt plötzlich die Stimme im Navi, dass wir im nächsten Kreisverkehr rechts abbiegen müssen. Wir erschrecken und müssen herzlich lachen. Die blecherne Stimme passt nicht wirklich in diese herrliche Natur.
Am besagten Kreisverkehr wird die Straße breiter und ich freue mich schon, dass ich jetzt nicht mehr so oft die Luft anhalten muss. Doch da stehen nette Polizisten, die uns sagen, dass die Strecke nach oben gesperrt ist, weil ein Film gedreht wird.
Sie empfehlen uns eine andere Route mit einem ziemlichen Umweg. Als auch noch die Wolken dichter werden, überlegen wir kurz, die Unternehmung abzubrechen. Aber wir wären ja nicht wir, wenn wir das getan hätten. Augen zu und durch.
Also fahren wir den Umweg durch die große Bergstadt Seia und kommen auch in das Dorf Sabugueiro. Es befindet sich auf 1050 m und vermarktet natürlich, dass es sich Portugals höchstes Dorf nennen darf.
Der Anblick der ganzen Touristenläden tut richtig weh, weil das hier nicht so hinpasst, meinen wir! Die Bergstraße schlängelt sich immer weiter hinein in die vor Millionen Jahren geformte Granitwelt und karge Hochgebirgslandschaft der Serra da Estrela. Bei klarem Wetter sieht man kilometerweit bis ins Tal. Bei uns zieht sich die Wolkendecke immer mehr zu und es wird kälter und kälter. Man hat das Gefühl, in die Wolken greifen zu können. Wir schauen quasi unter einer grauen „Kappe“ durch nach unten.
Geschneit hat es leicht, die kahle Gebirgslandschaft ist mit einer dünnen Schneedecke überzogen. Hier oben ist das Skigebiet der Portugiesen. Der Weg führt an mehreren kleineren Gebirgsseen und der von einer riesigen Staumauer umgebenen Lagoa Comprida vorbei.
Oben angekommen zeigt das Thermometer -3.5° Grad. Die Wolkendecke reißt kurz auf. So können wir die beiden Radartürme der portugiesischen Luftwaffe, mit ihren riesigen goldfarbenen Kuppeln sehen, die auf einem Felsplateau stehen. Mehrere Läden bieten allerlei regionaltypisches an.
Wir beschließen zu unserem Übernachtungsplatz zu fahren und bei wärmeren Temperaturen nochmal wiederzukommen. Es gibt dort oben wirklich einiges zu sehen, es war aber einfach zu kalt und es pfiff ein eisiger Wind. Der Weg nach unten war nicht weniger spannend. Die Felsen werden höher, wilder und dramatischer. Haushohe Granitwände sind links und rechts der kurvigen Route zu sehen.
Mich bedrückt das Ganze eher, als es mich erfreut. Und wie für mich gerufen, erscheint nach wenigen Kilometern unterhalb des Gipfels die Felsenmadonna Nossa Senhora da Boa Estrela. Die Schutzpatronin der Serra da Estrela breitet ihren Mantel über zwei Hirten aus und ist in einen gigantischen Granitfelsen gemeißelt. Davor steht ein kleiner Steinaltar, wo manche Besucher Kerzen anzünden und ihre Bittbriefe ablegen.
Mein Bittbrief, dass bald wieder breitere Straßen kommen und der Wind sich etwas legen möge, wurde wohl schnell vom Winde verweht. Wie anders wäre es zu erklären, dass wir plötzlich rechts abbiegen sollen, auf einen Wirtschaftsweg mit lauter Schlaglöchern. Kurz überlegt, es gibt wohl keine sinnvolle Alternative. Der Weg führte einige Kilometer, knapp am Abhang, entlang einer offenen Wasserleitung vorbei, in das Tal. Dann wieder auf eine etwas breitere Straße, die uns zu dem mitten in den Bergen gelegenen Gemeindestellplatz führte. Klar, das bei der Anfahrt auf dem kostenlosen und liebevoll angelegten Platz in der wirklich tollen Bergkulisse in dem Ort Unhais da Serra, kein anderes Wohnmobil steht! Im Sommer ist das wohl anders, wie man uns versichert. Wer tut sich diese Berg-und Talfahrt schon an? Nachdem ich mich einigermaßen beruhigt habe, muss ich Dieter recht geben. Es ist wunderschön in dieser Natur zu sein. Wir hatten ja alles an Bord und so ließen wir den aufregenden Tag gemütlich ausklingen.
Auch die sternenklare Nacht hätte schön sein können, wenn da nicht ständig der Wind um die Häuser bzw. von den Bergen geheult hätte. Ich bin wohl doch ein Weichei-Großstadtkind geworden und keine rauhe Natur mehr gewöhnt. Am nächsten Morgen hatten wir bei strahlendem wolkenlosen Himmel kurzfristig die Idee, nochmal auf den Berg zu fahren. Aber der Gedanke an die Holperstrecke an der Abbruchkante lang, veranlasste mich, dagegen zu sein. Stattdessen fuhren wir entspannt auf einer schönen Bergstrecke in den sonnigen Morgen, dem nächsten Ziel entgegen.
Bevor wir wieder zurück an die Küste fahren, um bei Ferdinando in seinem Fischlokal „Pai dos Frangos“ leckeren Fisch zu essen, machen wir noch Halt in der auf der Strecke liegenden drittgrößten Stadt des Landes, in Coimbra. Ja, hier sind sie wieder, die Wohnmobilsten aus aller Welt. In den einschlägigen Medien, ist für die Stadtbesichtigung ein Stellplatz am Flussufer, beim Kanuverein, ausgewiesen. Wie die Heringe stehen sie da in den engen Parkbuchten. Auch das Wohnmobil aus Nordirland, welches wir schon häufiger unterwegs gesehen haben, steht dort fein eng eingeparkt. Für uns ist klar, hier bleiben wir nur um die Stadt zu erkunden. Die älteste Universität Portugals und eine der ältesten Europas ist hier beheimatet. Knapp ein Drittel der 140.000 Einwohner sind Studierende. Sie prägen das Stadtbild mit ihren schwarzen Umhängen. Die Stadt erhebt sich fotogen über den Ufern des Rio Mondego mit dem Turm der ehrwürdigen Universität als Blickfang.
In der Altstadt steigt man durch enge Gässchen auf ausgetretenen Stufen hinauf zu den Fakultäten. Man muss dafür schon eine gute Kondition haben.
Unterwegs nach oben besuche ich die alte Kathedrale.
Aber der Hauptgrund warum wir hierher gekommen sind, ist die Besichtigung der berühmten Bibliothek Joanina. Sie wurde im 18. Jh. eröffnet und beherbergt, verteilt auf drei prachtvolle Säle, mehr als 300.000 wertvolle Titel. „Die Bibliothek ist ein barockes Prachtstück mit bemalten Decken und geschnitzten Regalen, überzogen mit Gold aus Brasilien“. Dieser Satz und das kleine Bild standen so in meinem Reiseführer und das wollte ich sehen.
Leider war das nicht so einfach; man musste sich Tickets besorgen, dort stand die erste Warteschlange. Und die Räume wurden nur zu bestimmten Uhrzeiten geöffnet. Das passte nicht in unser Zeitkonzept.
So ließen wir diese schöne alte Stadt bei einem Spaziergang weiter auf uns wirken und beschlossen wieder zu kommen. Städte am Fluß haben was, eindeutig!
Obwohl die Wetterprognosen nicht wirklich gut waren, wollten wir aber noch zu unserem Ziel an die Küste und an den Strand von Sao Pedro de Muel in der Nähe von Marinha Grande.
Etwas Beklommenheit hat den heutigen Tag insoweit geprägt, das wir wieder Kilometer um Kilometer durch eine verbrannte Landschaft fahren. Zwar hat sich schon wieder zartes Grün über die Hügel gezogen und die angebrannten Eukalyptus-Bäume schlagen unten neu aus, aber wir fragen uns, wie das Leben auf dieser verbrannten Erde weitergehen kann.
Die meisten Häuser und Dörfer wurden gerettet, aber in den landwirtschaftlich geprägten Regionen sind Weinstöcke, Olivenbäume und sonstige Pflanzen verbrannt.
Als wir uns unserem Ziel in Sao Pedro de Muel nähern, der nächste Schock: Hier stehen vom Küstenwald nach den verheerenden Waldbränden 2017 nur noch schwarze Baumreste in die Luft. Im Ort selber hat, der vor einigen Wochen über Portugal hinweggezogene Orkan, ein Chaos hinterlassen. Die zersplitterten und umgestürzten Bäume sind notdürftig zur Seite geräumt, so dass wir zu unserem, von einer Tour aus November 2014 bekannten Strand durchkommen. Leider ist hier alles verlassen und Sandberge versperren uns die Zufahrt in die Bucht.
Nichts also mit Ferdinando`s Fischküche.
Also bleiben wir auf dem Plateau oberhalb der Bucht, der angekündigte Regen setzt ein und der Wind wird stärker. Wir stellen „Dirty Harry“ mit der Nase in den Wind. Dieter kocht seinen schon bewährten Chorizo-Eintopf und es gibt Rotwein aus Navarra dazu. Alles gut!
Die Nacht verläuft relativ ruhig, aber mein Schatz hat ein Einsehen als morgens um sechs das Auto windgebeutelt anfängt zu wackeln, wie auf einer Holperstrecke.
Wir verlassen, den mit schönen früheren Erinnerungen verbundenen Ort, da selbst die Wellen ihre Gischt den Felsenhang zu uns hochwerfen. Leider geraten wir zunächst auf eine Strecke, die nach 2 km durch umgestürzte Bäume gesperrt ist und müssen uns einen anderen Weg suchen.
Es wird langsam hell und die ersten Einheimischen begegnen uns mit Auto, Motorroller oder Fahrrad. Wir fahren nach Batalha, zu dem riesigen Kloster. Der kostenfreie Gemeindestellplatz ist voll. Wir finden ein Plätzchen in der Nähe und schlafen erstmal noch eine Runde.
Bei strömenden Regen ist das riesige Kloster (Weltkulturerbe) trotzdem eindrucksvoll.
Es gibt kaum ein vergleichbares religiöses Bauwerk im Land. Schon auf der Anfahrt von weitem zu sehen.
Weiter geht es nach Porto de Mós, mit seiner fünfeckigen Burg. Sie spielte zweimal eine strategisch wichtige Rolle. Bei der Wiedereroberung des Ortes von den Sarazenen und bei der entscheidenden Schlacht von Aljubarrota. Das war der Sieg der portugiesischen Truppen, die mit englischer Hilfe eine zahlenmäßig überlegene Truppe aus dem Nachbarland Kastilien schlugen. Damit sicherten sie die portugiesische Unabhängigkeit. Das oben beschriebene gotische Kloster Batalha (die Schlacht) ist eine steinerne Erinnerung an dieses Ereignis. Der damalige König Joao I. (14 Jh.) ließ es zum Dank für den himmlischen Beistand errichten. Ach, ich liebe Regentage dann, wenn ich die Gelegenheit habe, intensiv meinen geschichtlichen Interessen nachgehen zu können. Insbesondere wenn Liebe, Leidenschaft, Verrat im Spiel sind, wie nachher in Alcobaca.
Auch hier ist der Stellplatz voll und auch sonst wo kein Platz. Was ist hier den bloß los? Erkenntnis: Der bekannte Wallfahrtsort Fatima liegt in der Nähe und viele Portugiesen, Spanier, Franzosen aber auch Deutsche wollen dahin! Aber eigentlich müssen sie gar nicht in dieses überdimensionierte Gotteshaus mit seinem riesigen Vorplatz und dem ganzen Touristenrummel in Fatima, denn Fatima ist überall. In vielen Orten begegnen uns die Darstellungen. Der Legende nach, soll die Mutter Gottes drei Hirtenkindern mehrmals erschienen sein.
Wir entschließen uns, in den Naturpark Serras de Aire e Candeeiros auszuweichen. Das riesige Kalksteinmassiv birgt weit verzweigte Tropfsteinhöhlen und den unterirdisch fließenden Rio Negro. Außerdem soll es die weltweit größte Ansammlung von Dino-Fußabdrücken geben. In Grutas Mira de Aire sind wir völlig alleine auf dem Gemeindestellplatz und verbringen hier die Nacht. Übrigens kostenlos, mit Strom und Wasser etc.
Dieter frönt hier seiner Leidenschaft für kleine Abenteuer und besichtigt die unweit des Stellplatzes liegenden Höhlen.
Es regnet immer noch und so kommen wir nach Alcobaca. Hier steht eines der größten und schönsten Klöster des Landes. Wegen einer tragischen Liebesgeschichte wollte ich unbedingt dorthin:
Im 12 Jh. schenkte Portugals erster König Afonso I., nach einer siegreichen Schlacht gegen die Mauren den Zisterziensern das Gebiet. Die Mönche begannen mit dem Bau des Klosters und bezogen den monumentalen Bau, der zum UNESCO Weltkulturerbe zählt. (1223 n.Chr.) Sie widmeten sich sich ihrem Ordensmotto „ora et labora“ („Bete und arbeite“). In seiner frühgotischen Kirche erinnern zwei prunkvolle Sarkophage an das historische Liebesdrama zwischen dem späteren König Pedro und seiner kastilischen Geliebten Inês, die Pedros Vater Afonso 1355, während der Abwesenheit seines Sohnes, grausam ermorden ließ. Man sagt, die Sarkophage stünden einander gegenüber, damit sich Pedro und Inês nach ihrer Auferstehung sofort erblicken. Was für ein Drama!
Die ersten Flecken blauen Himmels locken uns zurück an die Küste. Im Vorbeifahren bewundern wir die Zinnenmauer der mittelalterlichen Burgenstadt Óbidos und das gut erhaltene Aquädukt. Diese Stadt gehörte einst den portugiesischen Königinnen. Wir fahren dennoch weiter, der örtliche Stellplatz ist uns zu voll und zu rumpelig.
Heute, an Allerheiligen, sind wir auf der Halbinsel Peniche, in der gleichnamigen Stadt mit einem großen Fischerhafen, machen einen langen Spaziergang am Strand, essen frischen Fisch und halten es ansonsten mit dem Mönchen von Alcobaca: Ora et labora ;-))