Marokko: Die „Straße der Kasbahs“ und wilde Schluchten“

„……als habe Allah alles Überflüssige entfernt, damit wir Menschen hinter den Erscheinungen das wahre Wesen der Dinge zu erkennen vermögen.“

„Das Flusstal des Dades zwischen den Städten Ouarzazate und Errachidia ist unter dem Namen „Straße der 1001 Kasbahs“ berühmt geworden. Die archaischen Formen der jahrhundertealten Lehmburgen am Rande der Wüste, das üppige Grün der Oasengärten und die rötlich schimmernden Berg im Hintergrund verschmelzen zu Bildern von einzigartiger Schönheit“.

Ich muss sagen, auf uns hat das nicht so gewirkt, wie es in dem Roman, den ich in Vorbereitung auf die Reise gelesen habe, beschrieben war. Vielleicht haben wir auch schon zu viele der alten Lehmburgen gesehen. Aber dazu später mehr.

In der Ferne sichtbar, begegnet uns zunächst ein Wunder der Neuzeit. Desertec, ein solarthermisches Kraftwerk mit 160 Megawatt. Diese teure Anlage ging Ende 2015 in Betrieb. Man kann sehr gut erkennen, wie unzählige Spiegel die Sonnenenergie auf den Turm in der Mitte projizieren. Weitere 5 solarthermische Kraftwerke sind in Planung. Der Anteil der erneuerbaren Ernergien im Land soll dann bei 42% liegen. Eine stolze Leistung.

Vom gegenüberliegenden mystischen Stausee haben wir einen guten Blick auf das hermetisch abgesperrte Gelände.

Leider verfallen die meisten der alten Festungsdörfer, nur wenige werden erhalten und für die Touristen restauriert. So geht ein Stück Kultur eines Volkes zugrunde. Die Kasbah Amerhidil wollen wir aber noch besuchen. Sie ist der ganze Stolz der Marokkaner, schmückt sie doch mit ihrem Konterfei den alten 50 Dirham-Schein. Sie liegt malerisch an der „Straße der Kasbahs“ der N 10 und ist durch ein ausgetrocknetes Flussbett zu erreichen.

Wir fahren langsam durch diese Flusssteine auf die Gebäude zu. Von weitem winken schon jede Menge Führer. Total vermarktet wird dieser Komplex, der auch Schauplatz zahlreicher Filme war. Autos stehen geparkt, uns will auch sofort jemand einweisen. Schade, auf soviel Rummel und lästige Führer haben wir keine Lust, fahren durch das eine Tor rein und das andere wieder raus und ignorieren die Verwunderung der Einheimischen.

Wir kommen durch die nette Palmenoase Skoura.

Auch hier sind einige meist verfallene Kasbahs zu sehen. Typisch aber für diese Region ist die Herstellung von Rosenwasser das überall entlang der „Straße der Kasbahs“ verkauft wird. Vom nächsten Ort El Kelâa aus, kann man einen Ausflug ins Rosental (Vallée des Roses) unternehmen. Hier sollen auf 40 km zigtausend Rosenstöcke stehen, die im Frühling ihren wunderbaren Duft verbreiten.

Wir fahren weiter, es ist Dezember und kein Rosenduft ist zu verspüren. Nur ohne Ende Verkaufsstände an der Strecke. Unser Ziel ist Boumalne du Dadès, der Ausgangspunkt für unsere erste Schlucht-Durchquerung. Der Fluss Dadès windet sich als grünes Band durch die Landschaft, wenn er genug Wasser hat. Er bildet einen schönen Kontrast zu den kahlen Felsenbergen.

Wir haben gehört und gelesen, dass die Durchfahrt durch die Schlucht spektakulär sei, aber auch einige Engstellen aufweist und man wird vor Steinschlag gewarnt. Auch solle man an einer bestimmten Stelle umkehren, da die Straße mehrere Kilometer hinter dem Ort Msemrir nicht mehr geteert ist und als Piste weiterläuft. Es wird in beiden unserer Reiseführern empfohlen die Dades-Schlucht zu durchqueren, sich daran zu erfreuen, nach ca. 30 km umzukehren und auf der gut ausgebauten Nationalstraße, 55 km weiterzufahren. In der Stadt Tinerhir ist dann die Einfahrt in eine weitere spektakuläre Schlucht die der Fluss Todrha in Jahrmillionen Jahre geschaffen hat. Es gibt aber zwei Verbindungswege zwischen den beiden Schluchten! Sie sind als Schotterpisten ausgewiesen und lt. Reiseführer mit geeigneten 4×4 Fahrzeugen zu befahren. Beide Strecken mit unterschiedlichen Schwierigkeitsmerkmalen. Die kürzere Strecke führt durch einige ausgewaschene Flussbette mit dicken Steinen und ggf. Wasser drin. Diese Schwierigkeitsgrade in der Theorie zu bewerten, ist echt nicht einfach, da kannst du noch so oft Foren lesen oder die besagten Reiseführer. Die kleine Reisegruppe hat schon mehrfach dazu beraten, was denn nun für uns am besten zu tun sei. Jedes Mal rauchte uns hinterher der Kopf und wir vertagen wieder die Entscheidung. Denn eigentlich sind wir keine Typen, die mittendrin umkehren, nur weil die Straße schlecht wird—oder doch ?!

Wir beziehen zunächst mal unser Basislager auf 1700 m Höhe auf dem Campingplatz „Soleil Bleu“ und lassen uns im angrenzenden Hotel ein leider etwas angebranntes Tajine-Abendessen „schmecken“.

Der nette CP Betreiber verlangt auch noch einen überhöhten Preis dafür, den wir nicht akzeptieren. Wir einigen uns schließlich mit ihm auf einen angemessenen Summe. Unserer Entscheidung, wie der morgige Schluchten-Tag ablaufen soll, sind wir noch nicht näher gekommen. Wir wollen darüber schlafen und es morgen festlegen. Das Wetter spielt natürlich auch eine Rolle. Also, ich habe in dieser Nacht nicht gut geschlafen, wir sprechen aber am nächsten Morgen nicht groß darüber. Wir beschließen nun erstmal in die Schlucht reinzufahren, bis zu der Stelle in dem Ort Msemrir, wo der Teerbelag aufhört. Dort soll endgültig der weitere Weg festgelegt werden. Wir sind ziemlich angespannt bei der Durchquerung der Schlucht, machen am höchsten Punkt unsere Fotos, die tausendmal schon von der Dades-Schlucht gepostet wurden, finden aber diese Schlucht nicht so spektakulär.

Wir fahren weiter bis zum Treffpunkt und wissen aber eigentlich schon, dass Umkehren für uns keine Option ist. Sabine und Thomas wollen auch nicht. So beginnt hinter dem Ort dann eines der größtes Abenteuer auf dieser Tour! Die Lehmstrecke durch den Ort geht ja noch, die Kinder, die wieder angelaufen kommen und Bonbons wollen, kriegen auch welche.

Die Strecke windet sich den Berg hoch. Wir befinden uns mitten im Anti-Atlas Gebirge.

Die Strecke wird steiniger, die Kurven enger, der Weg uneben und manchmal ist er total ausgewaschen. Dann sind mitunter auch keine Wege mehr da, sondern nur noch Fahrspuren, während wir immer weiter den Berg hochklettern, dicht am Abhang vorbei.

Thomas und ich haben ziemlich mit unserer Höhenangst kämpfen, die Fahrer wechseln sich beim Vorfahren ab. Dieter ist die Ruhe selbst, er sagt, solange unser Navi die Strecke anzeigt, sind wir richtig, egal wie schlecht sie ist. Ich schaue immer auf die Landkarte weil ich insgeheim gedacht hatte, dass vielleicht doch wieder Asphalt kommt und die Marokkaner im Straßenbau von der schnellen Truppe sind. Die Straße war nämlich in der Karte von Reise Know-How gelb markiert (Nebenstrecke asphaltiert). Hinter jeder Kurve denke ich, jetzt vielleicht, es kommt kein Asphalt dafür immer tiefere Furchen und Löcher.

Dann kommt eine Stelle, wo die Strecke in den Fluss weggebrochen ist. Wir müssen quasi auf einer „Briefmarke“ wenden und eine Umfahrung finden…

Gott sein Dank ist kein Verkehr auf der Strecke, wohin auch ausweichen? Frauen und Männer kommen mit ihren hochbepackten Maultieren und staunen nicht schlecht über die beiden mutigen Deutschen. Sie sind uns aber keine Hilfe, sie wollen was zu essen oder Geld von uns. Auch das noch. So geht es immer weiter bergan.

Bald haben wir die Passhöhe von 2900 m erreicht. Wir sind an der Schneefallgrenze! Ich kann nicht glauben was wir da tun. Wir machen eine Pause. Gut, der Scheitelpunkt ist also erreicht, zwei Motorradfahrer kommen uns entgegen. Die haben Spaß an der Strecke und meinen, das geht noch einige Kilometer so weiter.

Stimmt, die Landschaft ist auch sensationell, es gelingt mir auch hin und wieder mich daran zu erfreuen, aber die Strecke ist nach wie vor lausig. Ich dachte, wenns bergab geht, wird’s leichter. Mitnichten, plötzlich ist die Straße im Fluss verschwunden. Wir müssen hindurch. Hilft ja nix. Thomas sagt hinterher, wir wären auf drei Rädern durch den Fluss gefahren, das rechte Vorderrad hätte in der Luft gehangen. Dirty Harry wollte sich wohl nicht alle „Füße“ nass machen.;-))

Zu allem Überfluss kommt an einer Engstelle ein großes „Expeditionsmobil“ entgegen. Der Fahrer weicht über die rechte Bergseite aus. Das Fahrzeug rutscht und neigt sich bedenklich in unsere Richtung. Geht aber nochmal gut…puh. Wo der wohl hin will? Mit seiner Länge wird er die nächsten Spitzkehren wohl kaum schaffen können.

So könnte ich noch stundenlang von dieser höchst anspruchsvollen Strecke erzählen. Das würde nun doch zu weit führen. Wir kommen ins Tal und damit in den Ort Agoudal, alle atmen auf, aber nur für ganz kurze Zeit. Denn dieser Ort besteht nur aus armseligen abgewrackten Häusern und hat, wenn überhaupt, nur Lehmwege durch den Ort. Oh Gott, überall kommen die Kinder auf uns zugestürzt und die Erwachsenen schauen zu. Vor lauter Schreck vor diesen tumultartigen Zuständen, kam kein Foto zustande. Wir versuchen zügig zu fahren, doch in der Dorfmitte geht das nicht mehr. Dort war wohl einmal ein Teich, der jetzt zwar kein Wasser mehr hat, die Ränder aber noch vorhanden sind. Das heißt für die Womos, eine kleine Rampe über einen Art Misthaufen hoch fahren unten ankommen, um dann wieder hoch zu fahren und auf dem Dorfplatz aufzukommen. Dass man das nur im Schritttempo bewältigen kann, wissen alle die, die etwas von uns wollen. Süßigkeiten, T-Shirts Kulis, usw. Es ist etwas traumatisch diese Armut zu sehen, aber auch beängstigend diese Pänz nicht mehr loszuwerden. Wir fahren einen anderen Weg und geraten in eine Straße voller dunkelgekleideter Männer, die dort herumstehen und nicht erkennbaren Geschäften nachgehen. Das Herz rutscht mir schon wieder in die Knie, sie machen aber schweigend den Weg frei. Irgendwann ist die Strecke tatsächlich geteert. Wir atmen auf!

60 km Piste (R704/703) mit Schlaglöchern, mit abgerutschter Straße, mit Wasser überflutet und mit Schnee bedeckt, liegen hinter uns. Die Fahrer verdienen höchstes Lob!

Wir freuen uns jetzt auf die Fahrt durch die Todrah-Schlucht. Nach dem eben Erlebten habe ich keine Angst mehr vor Steinschlag oder Engstellen. Die Schlucht ist wunderschön. Bis in den Himmel ragende Felsen geben dir das Gefühl in einem geschlossenen Raum zu sein. Sie ist leider total vermarktet, von überallher werden hier die Touristen mit Bussen dorthin gekarrt, Die Teppichverkäufer sind überall.

Egal, die Schlucht ist eine einzigartige Naturschönheit. Wir freuen uns nun auf unseren Stellplatz in der nahegelegenen Stadt Tinerhir. Es wird langsam dunkel, wir haben noch 12 km. Super, das schaffen wir. Die Stadt ist modern und begegnet uns freundlich.

Wir kommen endlich an dem Campingplatz an und freuen uns an der Ampel auf unser Ankommbier!—Was sehen da unsere müden Augen—der Campingplatz ist geschlossen. Ein vierfaches Neeeiiiin!!!! ertönt. Man könnte grade mal heulen. Bevor es dazu kommt, hat Dieter die CamperApp schon aktiviert und wir finden den Campingplatz Atlas. Er hat gute Bewertungen. Das ist ausnahmsweise mal wichtig. Erstens brauchen wir nach dem heutigen Abenteuer mal eine Pause und zweitens ist morgen Heiligabend. 12 km müssen wir wieder zurückfahren, hoffentlich ist dort Platz für uns. Zähne zusammenbeißen und drehen. Es hilft ja nix. Uns empfängt auf dem kleinen aber feinen Oasen-Campingplatz ein freundlicher Besitzer. Wir trinken ganz viele „Ankommbiere“ an diesem Abend…..

Ausgeschlafen und bei schönstem Weihnachtswetter erkunden wir am nächsten Tag die Todhra Schlucht nochmal zu Fuß. Wir machen einen schöne Wanderung abseits der Straße durch die Gärten und Felder der Einheimischen, schauen den Frauen beim Waschen im Fluss zu und freuen uns, dass wir es zu Hause doch etwas einfacher haben.

Die Schlucht zu Fuß zu durchqueren ist nochmal ein eindrucksvolles Erlebnis und läutet den Heiligabend passend ein.

Am Nachmittag gibt´s am Swimmingpool leckeren Tee, Orangensaft und Sonne pur. Ich schreibe die letzten Weihnachtsgrüße und freue mich, dass viele unserer Freunde an uns gedacht haben!

Wir sind um 18.00 Uhr bei Büttners im Womo verabredet. Es gibt Rehgulasch mit Rotkohl und Klößen. Das alles hat Sabine vorgekocht und aus Deutschland mitgebracht. Dazu gibt es einen leckeren Amarone aus Italien! Nochmal an der Stelle, ein großes Lob an die Köchin. Wir steuern einen marokkanischen Obstsalat bei, den Dieter liebevoll geschnibbelt und mit wertvollem Benedicte-Likör aus Frankreich angereichert hat. Wir verleben einen genussvollen Heiligen Abend. Die restlichen Weihnachtstage verbringen wir in der Wüste. Davon erzählt der nächste Bericht.

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